Die Revolution in der Energieversorgung

  17 Mai 2016    Gelesen: 835
Die Revolution in der Energieversorgung
Es ist noch eine Zukunftsvision: Die Energiegewinnung aus dem All. Dort sollen riesige Solarkraftwerke entstehen, die Sonnenenergie zur Erde schicken. Nun sagen Forscher: "Die Technik steht bereit."

Gregory Powell und der reichlich mit künstlicher Intelligenz gesegnete Roboter QT-1 führen angeregte Gespräche. Sie arbeiten gemeinsam im Erdorbit in der Solar Station #5. Diese Raumstation sammelt Sonnenlicht ein und schickt deren Energie als gebündelte Strahlung zur Erde. In einer Empfangsstation wird daraus elektrischer Strom.

Diese Vision einer Energieversorgung aus dem All beschrieb der Schriftsteller Isaac Asimov bereits 1941 in seiner Kurzgeschichte "Reason". Roboter wie QT-1 gibt es zwar bis heute nicht. Doch der Bau eines Solarkraftwerks im Orbit ist keine Science-Fiction mehr. "Die Technik steht bereit", sagt der Caltech-Forscher Ali Hajimiri.

Er hat am California Institute of Technology in Pasadena die Technologien entwickelt, die für Sonnenkraftwerke am Himmel benötigt werden. Hajimiri ist überzeugt, dass sich damit das Energieproblem der Menschheit lösen lässt.

Solarzellen spielen bereits eine große Rolle bei der klimaneutralen Erzeugung von elektrischer Energie. Bei starker Bewölkung liefern sie allerdings deutlich weniger und in der Nacht gar keinen Strom. Im Erdorbit gibt es diese Einschränkungen nicht. Deshalb kann dort, so rechnet Hajimiri vor, achtmal mehr Sonnenenergie gewonnen werden.

Diese Energie lässt sich mit gebündelten Mikrowellen hinab zu Bodenstationen bringen. Nicht nur in den USA, sondern auch in Russland, China und Japan gibt es konkrete Pläne für Solaranlagen im Orbit. Sie könnten die irdische Energieversorgung revolutionieren. Auch Militärs sind an dieser Technik interessiert. Es gibt hier einen neuen Wettlauf ins Weltall.

Wartungsfreie Anlagen im Orbit

Es müssen viele Technologien zusammenspielen, wenn der Bau von quadratkilometergroßen Solaranlagen im Weltraum gelingen soll. Deshalb ist die Liste der Forschungsthemen von Ali Hajimiri und seinem Team sehr lang. Zunächst geht es natürlich darum, Solarzellen mit möglichst großer Energieeffizienz zu entwickeln.

Der von ihnen erzeugte Strom soll im nächsten Schritt mit bestmöglichem Wirkungsgrad in Mikrowellen umgewandelt werden. Diese gilt es, gut gebündelt und präzise abzustrahlen, so dass sie die Bodenstation treffen. Dort werden die Mikrowellen von Spezialantennen absorbiert und wieder in elektrischen Strom umgewandelt.

Die Forscher müssen nicht nur Elektronik entwickeln. Auch die Mechanik der Solaranlage ist wichtig. Die riesige Struktur im All muss stabil und über Jahre hinweg wartungsfrei sein. Zuvor muss sich überdies alles fein säuberlich zusammenfalten lassen, so dass die einzelnen Module von Raketen ins All gebracht werden können.

Dort werden sie von Robotern zusammengesetzt. Das sind bereits große Herausforderungen. Doch damit nicht genug. Die ganze Technik darf so gut wie nichts wiegen, damit die Transportkosten nicht die Wirtschaftlichkeit gefährden.
Drei Technologien in einem einzigen Modul

Ali Hajimiri, der seinen Bachelor als Elektronik-Ingenieur an der Teheraner Sharif-Universität im Iran machte, ist von Beruf Problemlöser. Nach seinem Master und der Promotion an der der Stanford University in den Jahren 1996 und 1998 legte er eine atemberaubende Karriere hin.
Hajimiri hat bereits 80 Patente – einige Dutzend weitere sind beantragt. Für seine bahnbrechenden Erfindungen wurde er am 15. April 2016 in die National Academy of Inventors aufgenommen. Seine hochfliegenden Pläne durfte er sogar auf dem World Economic Forum 2016 in Davos vorstellen.

Stolz reicht Ali Hajimiri ein handgroßes, flaches Objekt, das erstaunlich leicht ist. Es wiegt nur 1,5 Gramm und ist ein Ausschnitt aus den von ihm entwickelten Solarzellmodulen. Auf der Oberfläche der sandwichartigen Struktur wird Licht in elektrische Energie umgewandelt. In der darunterliegenden Ebene befindet sich die Computertechnik zur Steuerung des gesamten Systems.

Darunter gibt es eine Lage mit schachbrettartig angeordneten Chips, die Mikrowellen erzeugen und abstrahlen können. Insgesamt ist das eine sehr kompakte Kombination von ganz unterschiedlichen Technologien.

Die Konzentration der Energie

Das Sonnenenergie-Projekt lässt sich nur dann wirtschaftlich umsetzen, wenn die im Weltall gewonnene Energie ausreichend gebündelt zur Erdoberfläche übertragen werden kann. Dazu benötigt man eine sehr große Zahl von Mikrowellenantennen, die gleichzeitig strahlen und sich einzeln ansteuern lassen.

Der Computer gibt jeder einzelnen Antenne individuell vor, mit welcher Intensität und in welcher Phase sie strahlen soll. Auf diese Weise können beliebige Wellenfelder erzeugt werden, was konkret bedeutet: Die abgestrahlte Energie lässt sich auf ein kleines Areal auf der Erdoberfläche konzentrieren.

Niemand muss fürchten, dass ein solches System als Strahlenwaffe genutzt werden könnte. So stark lässt sich die Strahlung denn doch nicht bündeln. Die Empfangsareale werden immer noch mehrere Quadratkilometer groß sein. Asimovs Vision, dass ein aus dem Fokus geratener Energiestrahl Hunderte von Quadratkilometern auf der Erde in "glühende Ruinen" verwandeln könnte, bleibt vorerst Science-Fiction.

Die Solaranlage im All wird aus vielen kleinen Einheiten aufgebaut sein. Die kleinsten Module sind zehn mal zehn Zentimeter groß. Sie werden zu zwei mal zwei Meter großen Einheiten zusammengesetzt, diese wiederum zu 60 mal 60 Metern großen Aggregaten. Die komplett ausgebaute Anlage wird die Form eines Sechsecks haben – mit einer Kantenlänge von drei Kilometern. Das entspricht einer Solarzellenfläche von mehr als 20 Quadratkilometern.

Meteoriteneinschläge sind programmiert

Ein so großes Areal wird unvermeidlich immer wieder von Mikrometeoriten getroffen. Durch den modularen Aufbau werden dadurch aber stets nur kleine Bereiche der Anlage ausfallen. Damit geht zwar etwas Leistung verloren, doch die Funktion des Gesamtsystems ist nicht gefährdet. Außerdem hat Hajimiri sich selbst heilende Chips entwickelt, die kleinere Defekte eigenständig reparieren können.

"Die fertige Anlage wird uns auf der Erde eine Leistung von zwei Gigawatt bescheren", sagt Hajimiri. Das entspricht ungefähr dem Output eines Kernkraftwerks. Die Installationskosten sind allerdings geringer. Sie sollen beim Solarkraftwerk im All weniger als 1,50 Dollar pro Watt betragen.

Hajimiri hat ausgerechnet, dass für den Transport der Bauteile 16 Raketenstarts erforderlich sein werden. Installiert wird das kosmische Solarkraftwerk in einer Höhe von 36.000 Kilometern. In diesem geostationären Orbit stehen Satelliten relativ zu irdischen Bezugspunkten fest am Himmel. Das Solarkraftwerk hätte also immer Sichtkontakt mit seiner Empfangsstation auf der Erde. Auch alle TV-Satelliten befinden sich in der geostationären Umlaufbahn.

2030 soll das erste Kraftwerk fertig sein

Besonders groß ist das Interesse an der neuen Technologie in Japan, weil es dort nicht ausreichend Landflächen für Windparks und irdische Solarenergieanlagen gibt. Forscher an den Universitäten Tokio und Kobe wollen gemeinsam mit der Weltraumagentur Jaxa die Energiegewinnung im All ermöglichen.

Erste Testsatelliten sollen bereits im kommenden Jahrzehnt im Orbit kreisen. Nach 2030 könnte das erste funktionsfähige Solarkraftwerk eine Leistung von einem Gigawatt liefern.
Ein wichtiger Aspekt der Übertragung von Solarenergie per Mikrowellen ist die große Flexibilität bei der Wahl der Empfangsorte. "Die Energie lässt sich genau dorthin senden, wo sie benötigt wird", sagt Hajimiri und meint damit, dass nicht nur stationäre Empfangsanlagen für die Energie aus dem Orbit denkbar sind, sondern auch mobile.
Mit recht wenig Aufwand lasse sich überall auf dem Planeten ein teppichartiger Empfänger ausrollen. Der Computer an Bord der Solaranlage lässt sich so programmieren, dass die Sendeantennen die abgestrahlte Energie just auf dieses Areal am Erdboden fokussieren. Man wäre damit unabhängig von einer Infrastruktur der Stromversorgung.

Damit ist auch klar, warum sich das Militär für diese Technik und die Arbeiten von Hajimiri interessiert. Die Mikrowellen aus dem All liefern bei Einsätzen an nahezu jedem beliebigen Ort eine eigene, leistungsstarke Stromversorgung. Man muss dazu nur mobile "Empfangsteppiche" für Mikrowellen auf dem Boden ausrollen. Hajimiri erhält für seine Forschung unter anderem Fördermittel von der Rüstungsfirma Northrop Grumman.

David Miller, Chef-Technologe bei der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa, hat noch eine ganz andere Anwendung der orbitalen Technologie im Blick. Solarkraftwerke lassen sich nämlich nicht nur in einer Umlaufbahn der Erde betreiben, sondern beispielsweise auch im Bereich des Mars. Auf diese Weise könnte eine künftige Marsstation vergleichsweise einfach mit elektrischer Energie versorgt werden.


Quelle: n24.de

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