Plötzlich kam doch wieder ein bisschen Mercedes-Gefühl zurück, als Smart seinen jüngsten Spross vorstellte und alte Stuttgarter Design-Kollegen zum Panelgespräch riefen. Auch wenn sich die Marke inzwischen zur Hälfte in der Hand des Geely-Konzerns befindet, tragen die Produkte doch Mercedes-Handschrift. Und auch das teils von Mercedes-Veranstaltungen bekannte Eventteam erzeugte ein gewisses Vertrauen.
Und produktseitig ist mindestens noch Eingewöhnung erforderlich - was steht denn da bitte vor der Tür? Mit dem #5 erkennt man das Label kaum noch wieder. Das mag sich nicht unbedingt auf die Designsprache beziehen, aber einen 4,70-Meter-Brocken würde man von Smart jetzt doch nicht unbedingt erwarten. Ja, natürlich wusste ich, was mich erwarten würde, zumal das Modell ja bereits statisch vorgestellt wurde, aber die Überraschung ist eben groß.
Und dann sieht der Neuling trotz traditioneller optischer Note ja auch irgendwie erfrischend unkonventionell aus. Vor allem die Heckpartie mit ihrer ganz eigenen Interpretation von Leuchtband: Unter dem betont filigranen durchgehenden LED-Streifen finden sich obendrein noch vier kräftige Spots - das hat einerseits etwas Futuristisches, wirkt aber auch ein bisschen chinesisch angehaucht.
Und die hohe Gürtellinie lässt den #5 unglaublich massiv auftreten, was noch durch eine breit angelegte, mit der Hilfe von Blech ausgeformten Fensterlinie untermauert wird. In Richtung des oberen Aufbaus verjüngen sich die Flanken, das verleiht dem Mittelklasse-SUV eine individualistische Note.
Brabus mit sportlichem Einschlag
Und innen? Man muss dazu sagen, dass Smart für die ersten Testfahrten ausschließlich die Brabus-Version mitgebracht hat - repräsentativ für das reale #5-Aufkommen im Straßenbild dürfte die eher nicht sein. In deren Fahrgastraum geht es natürlich noch einmal anders zu; schicke rote Ziernähte ziehen sich fast im wörtlichen Sinne wie ein roter Faden durch die Architektur. Durchaus bequeme Sportsitze mit Mikrofaser-Überzug sorgen für einen Hauch von sportiver Noblesse. Und rote Gurte passen zum drahtigen Einschlag des Brabus, dessen viele Schriftzüge (auch außen) dem unbedarften Betrachter zeigen, um welche Ausführung es sich handelt. Und die ist dennoch nicht völlig unkomfortabel auf glattem Asphalt, wenngleich signifikant schlechte Straßen nicht ganz so geschmeidig glattgebügelt werden. Schließlich braucht es noch Querdynamische Reserve, und das bullige Reifenformat unterstützt jetzt auch nicht gerade geschmeidiges Abrollen.
Ebenso auf ihre Kosten kommt die Infotainment-Fraktion. So besteht die komplette Armaturenfront aus Display, wenn man so will. Selbst der Beifahrer wird mit einem Monitor versorgt. Wie intuitiv und schnell man das Menü durchdringen kann, muss sich noch herausstellen. Was jedenfalls zügig gelingt, ist das Ausschalten von gesetzlich erforderlichen, aber nicht unbedingt sinnvollen Assistenten, die ununterbrochen piepsen oder dem Fahrer im ungünstigen Moment sogar ins Lenkrad greifen.
Vor allem aber gibt es Platz - eine Eigenschaft, an die sich alte Smartfahrer erst noch gewöhnen müssen, weil der Hersteller ja einst mit besonders kompakten Fahrzeugen in den Markt startete. Mit der bisher ausschließlich für die Marken Geely, Smart und Zeekr bestimmten Plattform "PMA2+" kommt der #5 auf 2,90 Meter Radstand. Eine kurze Sitzprobe im Fond bescheinigt dem außerdem 1,70 Meter hohen SUV Familientauglichkeit nicht nur qua ausgedehnter Beinfreiheit. Der Raumeindruck nach oben hin fällt ebenfalls luftig aus.
Außerdem sind 630 Liter Kofferraumvolumen bei stehenden Lehnen eine deutliche Ansage. Klappt man selbige um, erweitert sich das Abteil auf 1530 Liter. Besuche bei Baumarkt oder Gartencenter sollten jedenfalls kaum daran scheitern, dass die gekaufte Ware später nicht ins Auto passt. Ein paar praktische Gimmicks runden das Kapitel ab, wozu neben gut rückmeldenden, physischen Lenkradtasten sicherlich auch die beiden exzellent zugänglichen Smartphone-Ladeschalen gehören.
#5 führt viel Strom mit
Ganz nach dem Motto, dass das Beste zum Schluss komme, spare ich das Antriebskapitel entsprechend auf. Wobei nicht oft genug betont werden kann, dass der hier zum Einsatz kommende Brabus-Strang eher Ausnahme als Regel sein müsste. Immerhin startet die stärkste Ausbaustufe mit 646 PS Peakleistung ab 60.900 Euro und liegt damit eine Kleinwagen-Einheit über der Basis, die mit ihrem Lithium-Eisenphosphat-Akku bloß 400 Volt Netzspannung offeriert statt 800 wie die übrigen Varianten mit 94 statt 74 kWh (netto) Stromkapazität und Nickel-Mangan-Cobalt-Technologie. Andererseits könnte man sagen, dass das Preis-Leistungs-Verhältnis hier stimmt, und wenn Smart dann noch mit einem günstigen Leasing-Angebot lockt, könnte selbst der Brabus auf erkleckliche Stückzahlen kommen. Es bleibt spannend.
Wem bloß schnelles Nachfassen von Energie, aber keine irrwitzige Motorleistung wichtig ist, der kommt mit 50.900 Euro zumindest in den Genuss der höchsten Ladeperformance. Es gibt dann immerhin 363 PS auf die Hinterachse und eine annehmbare Effizienz mit einem Verbrauch von 18,4 kWh je 100 km und einer daraus resultierenden Reichweite von 590 Kilometern gemittelt.
Beim Allradler Brabus haben sich die Ingenieure allerdings ebenso um Effizienz bemüht, was an der Kombination von Asynchron- plus Synchronmotor abzulesen ist. Auf diese Weise lässt sich eine Achse bei geringer Leistungsabfrage deaktivieren - die Asynchronmaschine läuft ohne die Erzeugung von Schleppmomenten einfach widerstandsarm mit.
Den Kunden hingegen, die sich bewusst für den Brabus entscheiden, dürfte Effizienz zweitrangig sein. Hier geht es um maximalen Punch, so einfach ist das. Und den liefert das bis zu 2,4 Tonnen schwere Trumm auch. Hier herrscht eine Beschleunigung, die mit vollem Magen nicht gut vereinbar ist. In Zahlen heißt das 3,8 Sekunden bis 100 km/h und 210 Sachen Höchstgeschwindigkeit. Seien wir ehrlich, letztere hätte schon einen Tick höher ausfallen können unter Brabus-Gepflogenheiten. Was die Querperformance angeht: Porsche-Elfer-Fahrer, nehmt euch in Acht!
Klar, und Performance beweist der Smart auch beim Laden. Wenngleich die Ingenieure schon mal darauf hinweisen, dass selbst solide Alpitronic-Ladegeräte mit 400-kW-Badge auf dem Gehäuse eher im oberen 300er-Bereich verharren, weil die Stromstärke nicht ausreicht. Aber das Laden ist eh eine dynamische Angelegenheit und nicht immer reproduzierbar. Allerdings wird seitens der Ladesäulenindustrie daran gearbeitet, demnächst noch stärkere Geräte an den Start zu bringen. Und dann sollte ein gut temperierter Smart-#5-Akku (Batterieheizung haben alle, Wärmepumpe ist ausstattungsabhängig) binnen 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent laden mit über 400 kW in der Spitze. Somit können auch Langstreckenfahrer zugreifen. Auf der Website kann man den #5 schon konfigurieren.
Quelle: ntv.de
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