Welcher Hersteller weiß, was Frauen wollen?

  18 Mai 2016    Gelesen: 402
Welcher Hersteller weiß, was Frauen wollen?
Frauen werden zur wichtigsten Käufergruppe im Neuwagengeschäft. Mercedes-Benz umwirbt sie mit einer aufwendigen Kampagne. Andere Marken sind schon weiter.
Ein neuer Mercedes, das war der Traum von Monika B*. Vor wenigen Tagen ging er in Erfüllung. Sie bekam eine Kombiversion der C-Klasse. Doch auf die Freude über das neue Auto folgte rasch die Ernüchterung. Im Alltag machten sich die Nachteile des Wagens schnell bemerkbar.

Monika B. erkennt die Anzeigen der Einparkhilfe nur schwer, und die Warntöne des Systems sind für sie viel zu leise. Die Rücksitzlehnen umzuklappen kostet sie sehr viel Kraft. Die Laderaumabdeckung heißt zwar "Easy-Pack", doch in Wahrheit lässt sie sich nur sehr umständlich von Hand über den Kofferraum ziehen. Auch der Tempomat, den Monika B. in ihrem bisherigen Auto so geschätzt hatte, fehlt in dem 39.000 Euro teuren Premiumkombi. Das Schlimmste für sie aber ist die Schaltung: Der Rückwärtsgang lässt sich nur mit so großem Kraftaufwand einlegen, dass der 46-Jährigen regelmäßig das Handgelenk schmerzt.

Das Beispiel zeigt: Macken und Schwachstellen, die männliche Autofahrer als Kleinigkeiten empfinden mögen, bereiten Autofahrerinnen nicht selten große Probleme. Früher oder später können sie darüber entscheiden, ob frau dem Modell und der Marke die Treue hält. Bei Mercedes-Benz soll sich das jetzt ändern, denn Markenchef Dieter Zetsche will seiner weiblichen Kundschaft in Zukunft mehr Beachtung schenken. Mercedes, so verspricht er, soll die "attraktivste Luxus-Automobilmarke für Frauen" werden.

"Frauen sind das nächste China", sagte Zetsche vor einigen Monaten und brachte es mit diesem eigenwilligen Vergleich bis auf die Wirtschaftsseiten der Zeitungen. Was der Daimler-Chef meint: Nachdem der Absatz auf dem chinesischen Markt schwächelt, will man in Stuttgart künftig das Geschäft mit Autofahrerinnen stärker ankurbeln und damit Umsatzeffekte erzielen wie einst durch den Autoboom im Reich der Mitte.
Frauen kaufen ausländische Autos

Aber jeder neue Markt will erobert werden – und die Schwaben haben bei der weiblichen Kundschaft im Vergleich zu anderen Automarken Nachholbedarf. Während in Deutschland insgesamt gut 32 Prozent aller Neuwagen von Frauen gekauft werden, kommt Mercedes-Benz laut einer Erhebung des Center of Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen nur auf eine Frauenquote von rund 18 Prozent. Bei BMW sind 26 Prozent der Neuwagenkunden weiblichen Geschlechts, bei Audi 26,6 Prozent, bei Volkswagen 33,8 Prozent und bei Opel immerhin 35,4 Prozent.

Die meisten der unter Frauen beliebtesten Automarken stammen aus Japan, Frankreich und Korea. Sie heißen Toyota, Renault, Hyundai, Peugeot und Suzuki und kommen laut CAR auf Frauenanteile von 39,5 bis 42 Prozent. Am beliebtesten ist der Mini. Die deutsch-britische Marke verkauft hierzulande mehr als jedes zweite Modell an Frauen (51,4 Prozent). In anderen Ländern kommt Mini nach eigenen Angaben sogar auf Frauenquoten von bis zu 60 Prozent.

Werbekampagnen für Frauen

Mercedes-Benz will deshalb das eigene Image unter Frauen aufpolieren. Die Marke hat mit einer intensiven Werbekampagne begonnen, schicke Abendessen und eine eigene Internetplattform inklusive. Auf der Plattform erscheinen persönlich anmutende Geschichten rund um ihre Autos, etwa Reiseerlebnisse, die den "emotionalen Zugang zur Marke Mercedes-Benz" verstärken und weiblichen Kunden ein "noch intensiveres Markenerlebnis" vermitteln sollen.

Besonders stolz sind die Stuttgarter Marketingexperten auf ihren "Lifestyle-Konfigurator". Der Online-Service soll Autofahrerinnen bei der Auswahl ihres Wunschwagens und der passenden Ausstattung helfen. Dazu müssen sie zahlreiche Fragen über ihre schönsten Reiseziele, ihre liebsten Haustiere oder ihren Kunstgeschmack beantworten. Heraus purzelt eine Liste verschiedener Mercedes-Modelle, die in puncto Design, Farbkombination und Materialauswahl dem persönlichen Geschmack entsprechen sollen.

Dahinter stecke die Erkenntnis, dass Frauen bei der Autowahl statt auf Technik, Fahrdynamik und PS-Stärke mehr Wert auf Ästhetik legen, erklärt man in Stuttgart. "Ein schönes Design, Stil und Wertanmutung sind ihnen besonders wichtig", sagt eine Daimler-Sprecherin und betont die neue "Designphilosophie der sinnlichen Formen", die für Frauen ein "besonders ansprechendes Spannungsfeld zwischen Schönheit, Eleganz und Technik" schaffe. "Spezifisch weibliche Fahrzeuge" werde man aber nicht anbieten.

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