Der Laden ist zwar neu, aber er brummt, was sich schon beim Reservierungsanruf andeutet: Ob man einen Tisch von 18-20 Uhr haben wolle oder von 20 Uhr an, lautet die Frage. Bespricht man ein derart frequentiertes Restaurant dann positiv, könnte der Andrang unerträglich werden. Sieht man das Lokal skeptisch, sieht man wie ein Geisterfahrer aus: Alle finden`s gut, nur einer nicht.
Doch genug vom Kritiker-Dilemma. Das Thao ist eine klare Empfehlung. Konzept, Ambiente und Speisen treffen eine goldene Mitte. Das Lokal hebt sich weit ab von einschlägigen Wok-Brutzel-Asiaten, versteigt sich aber nicht in überkandideltem Chichi. Schlichte, solide Holztische und Wände in dunklem Bronzeton sorgen für moderne Behaglichkeit. Nischen für ruhige oder vertrauliche Gespräche darf man allerdings nicht erwarten. Prall gefüllt ist der überschaubare Gastraum ein Sozialereignis, bei dem die Chancen hoch sind, mit dem Nebentisch in Kontakt zu kommen. Für die warmen Monate sei noch die Möglichkeit erwähnt, vor der Tür Platz zu nehmen, auf dem Gehweg der beschaulichen Lucile-Grahn-Straße.
Das Restaurant Kim Sang im Arabellapark will die verschiedenen Küchen eines ganzen Kontinents widerspiegeln. Das gelingt mal mehr, mal weniger gut - an einigen Details sollte noch gearbeitet werden.
Die Speisekarte ist angenehm klar sortiert. Vieles klingt bekannt, von den Reispapierrollen bis zur Pho-Bo-Suppe. Tatsächlich wird hier nicht asiatische Küche zwanghaft "neu interpretiert" oder gar mit Komponenten anderer Erdteile verwurstet, genannt Fusion-Küche. Aus den Speisen im Thao spricht die authentische, vielseitige Würze Vietnams, manches leicht scharf, anderes fruchtig, und fast jedem Gericht wird ein üppiges Bouquet Kräuter zur Seite gestellt, plus diverse Sößchen.
Zum gemischten, üppigen und vielseitigen Vorspeisenteller (13,90 pro Person) gibt es gleich drei Dips, in den Varianten dunkel, Mango und Ananas-Chili. Vor allem Letzterer macht die altbekannten Frühlingsrollen zu einem erfrischend neuartigen Erlebnis. Wer den Exotik-Faktor vor dem Hauptgang noch steigern will, bestellt ein Soft-Shell-Crab-Tempura (10,50), eine knusprig frittierte Krabbe, die man zur Gänze verzehren kann, weil diese Tiere gefangen werden, wenn sie in der Wachstumsphase ihren Panzer abgeworfen haben und sich der neue noch nicht gebildet hat.
Unter den Suppen sah eine "Spezialität aus Hue" (7,90) beim ersten Augenschein etwas belanglos aus: Nudeln, Rind, Brühe. Doch eine überraschend facettenreiche Würze - Noten von Anis, Thymian und Minze - regte uns zum ausgiebigen Rätselraten über die Quelle des ungewohnten Aromas an. Der Lösung kamen wir beim Durchprobieren der mitgelieferten Kräutervarianten näher. Ein großblättriges, gezacktes Grün identifizierten wir einhellig als Geschmacksgeber der Hue-Suppe. Doch ließen sich die botanischen Zusammenhänge nicht zweifelsfrei klären. Der auf Nachfrage genannte Name des Krauts klang so ähnlich wie "Swassebisse". Eine Art asiatische Melisse womöglich. Doch wie heißt es in wissenschaftlichen Publikationen? Weitere Studien sind erforderlich.
Auch bei den Hauptgerichten kann man den Orient-Faktor stufenweise steigern. Appetitlich, aber vergleichsweise einfallslos fanden wir eine "Bauernschale", bei der diverse Zutaten mit Reisnudeln serviert und frei kombiniert werden. Spannender erschien die Variante der eigenhändig mit Fleisch, Kräutern und Mangostreifen zu füllenden und zu rollenden Reisblätter mit Erdnuss- und Fischsauce (15,90) - aufgrund des Mitmach-Faktors besonders für Kinder ein großer Spaß.
Jedes Gericht für sich genommen eine Freude
Minderjährige Gäste sind übrigens auch mit der Palette alkoholfreier Cocktails zu begeistern, dem Maracuja-Mojito zum Beispiel, einer optisch wie geschmacklich ansprechenden Fruchtzauberei (7 Euro). Erwachsene können als Begleitung einen ordentlichen Riesling genießen, im Vergleich zu Lugana und Zweigelt der klare Sieger. Als weitere, überaus passende Möglichkeit, die asiatischen Geschmacksnoten zu begleiten, sei zudem eine ganz andere alkoholische Variante empfohlen: ein stattlicher Gin Tonic.
In der Königsklasse der Hauptgerichte kosteten wir pfannengerührtes Rindfleisch mit Gemüse und Schwarzer-Pfeffer-Sauce (15,90), eine halbe Ente mit Hoisin-Sesam-Sauce und einer fluffigen Teigware von der Tageskarte (20,00) sowie einen gegrillten Wolfsbarsch mit gedämpftem Gemüse und Ingwer-Chili-Sauce (18,90). Ob wir den Fisch lieber als Filets hätten, oder als Ganzes, was länger dauere, hatte die Kellnerin bei der Bestellung gefragt. So wie in Vietnam, war unsere Antwort. Also den ganzen Fisch. Es hat sich gelohnt.
Jedes Gericht für sich genommen war eine Freude, die Ente von spürbarer Qualität, die Pfeffersauce tiefgründig rauchig, der Fisch mit knuspriger Gewürzkruste. Der Genuss lässt sich zudem potenzieren, da die Gerichte gleichzeitig auf dem Tisch stehen und jeder reihum alles und jedes probiert. So gerät der Besuch im Thao zu einem belebenden Rundgang durch die vielschichtige Küche Vietnams.
Tags: