China steuert auf einen Billionen-Crash zu

  01 Juni 2016    Gelesen: 810
China steuert auf einen Billionen-Crash zu
In Chinas Metropolen erreichen die Immobilienpreise irrwitzige Dimensionen. Ganze Familien verschulden sich bei fragwürdigen Kreditgebern. Der nächste Crash ist nur eine Frage der Zeit.

Liu rückt seinen Liegestuhl etwas nach rechts. So kann er die Hand seiner Frau ergreifen und dann gemeinsam mit ihr einen romantischen Sonnenuntergang in dem Ressort auf Fidschi genießen. Es war eine lange Anreise von Peking bis hierher, und die fünf Tage, die sie auf der Pazifikinsel verbringen, sind auch nicht billig. Doch das ist ihre Hochzeitsreise. Da spielt das keine Rolle.

"Aber eigentlich können wir uns das gar nicht leisten", sagt Liu dann, als die Sonne im Meer versunken ist. "Wir haben uns in Peking gerade eine Wohnung gekauft, rund 80 Quadratmeter für vier Millionen Yuan." Das sind umgerechnet fast 550.000 Euro, und die Wohnung liegt nicht mal zentral, sondern eine Stunde Autofahrt vom Zentrum. Selbst für das Paar mit zwei guten Jobs ist die Belastung enorm. "Die Preise sind inzwischen einfach absurd", seufzt Liu. Und sie klettern weiter.

Für viele Chinesen wird die eigene Wohnung unbezahlbar

Gerade erst hat das Nationale Statistikamt bekannt gegeben, dass die Immobilienpreise im April so schnell gestiegen sind wie seit zwei Jahren nicht mehr. Damit ist endgültig klar: Von einer Beruhigung an Chinas Immobilienmarkt, wonach es bis vor wenigen Monaten noch ausgesehen hatte, kann keine Rede mehr sein. Und damit steigen auch die Risiken, die von dieser sich immer weiter aufblähenden Preisblase ausgehen.

6,2 Prozent betrug der Preisanstieg im April gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat, über alle Städte hinweg. Doch gerade die Metropolen stechen dabei weit heraus. In Peking ging es um 18,3 Prozent nach oben, in Shanghai um 28 Prozent und in Shenzhen sogar um unglaubliche 62,4 Prozent – innerhalb von zwölf Monaten. Und das, obwohl eine Wohnung in China in Bezug auf die Einkommen der Bevölkerung ohnehin schon mehr kostet als überall sonst auf der Welt.

Mehr als das 30-Fache eines Jahreseinkommens müssen Chinesen in Peking oder Shanghai inzwischen hinlegen, wenn sie sich eine durchschnittliche Wohnung kaufen wollen. In München, der teuersten deutschen Stadt, ist es gerade mal das Zehnfache eines Jahreseinkommens, in Berlin das Achtfache.
Die großen Städte haben inzwischen zwar darauf reagiert. Beispielsweise verlangt Shanghai, dass ein Käufer 50 Prozent des Kaufpreises bar hinlegen muss, um einen Kredit zu erhalten. Doch als Folge davon hat sich ein Schattenbankenmarkt gebildet, wo Immobilienkäufer sich dieses Geld leihen können, natürlich zu entsprechend hohen Zinsen. Zhou Xiaochuan, der Chef der Notenbank, verwies zwar erst kürzlich darauf, dass solche Kredite illegal seien. Dennoch greift die Praxis Beobachtern zufolge immer weiter um sich.

Fast das ganze Vermögen der Menschen steckt in Immobilien

Doch die Kredite sind nicht das wirkliche Problem, das mit der Preisblase verbunden ist. Denn anders als in den USA kaufen die wenigsten Chinesen ihre Wohnung oder ihr Haus auf Kredit. Nur 18 Prozent der Immobilien sind heute überhaupt mit einer Hypothek belegt, und viele Käufer bezahlen nach wie vor komplett bar, unterstützt von der gesamten Familie. Ein plötzlicher Preissturz würde daher wohl auch keine Bankenkrise auslösen wie 2008 in den USA, zumal Chinas Banken ohnehin größtenteils in staatlicher Hand sind.
Vielmehr würde ein Preissturz Millionen und Abermillionen von Chinesen ganz direkt betreffen. Denn fast die gesamten Ersparnisse vieler Familien stecken in den Häusern und Wohnungen. Schätzungen zufolge haben die Chinesen bis heute ein Vermögen von umgerechnet rund 27 Billionen Dollar angehäuft – das ist das Dreifache des Bruttoinlandsprodukts des Landes. Davon liegen jedoch 75 Prozent in Betongold.

Bei einem Crash würden Billionen vernichtet

Auch in Deutschland machen Immobilien rund zwei Drittel des Vermögens aus. Allerdings ist deren Wert in den vergangenen Jahren bei Weitem nicht so stark gestiegen wie in China, ein Preissturz würde daher wesentlich geringer ausfallen. Ganz anders in China. In den Ballungszentren sind die Preise seit dem Jahr 2000 um das Fünf- bis Siebenfache gestiegen.

Würde der Wert der Immobilien nur um zehn Prozent sinken, dann entspräche das einem Verlust von über 2000 Milliarden Dollar, käme es zu einem echten Crash mit Verlusten von 50 Prozent, wie das auch in Japan vor etwas mehr als zwei Jahrzehnten der Fall war, wären sogar zehn Billionen Dollar ausradiert. Das sind Summen, die sich kaum noch jemand vorstellen kann. Nur ein Vergleich: Zehn Billionen Dollar sind ungefähr das Dreifache dessen, was alle Deutschen zusammen innerhalb eines Jahres erwirtschaften.

Ein solcher Verlust beim Wert chinesischer Immobilien stünde zwar zunächst nur auf dem Papier. Aber entscheidend wäre die psychologische Wirkung. Wer den Wert seiner Immobilie schwinden sieht, wer sie nur noch mit Verlust verkaufen kann oder gar keinen Käufer mehr findet, der hält sich auch beim Konsum zurück. Das gilt gerade für junge Menschen, die sich zu Beginn ihres Berufslebens bis an die Halskrause verschuldet haben.

Die Regierung steckt in einem Dilemma

Es wäre ein Leichtes für die Regierung, Luft aus der Blase zu lassen. Sie müsste dafür nur die Banken anweisen, weniger Kredite zu vergeben. Doch das würde dazu führen, dass weniger neue Wohnungen gebaut würden, viele Fabriken nicht mehr ausgelastet wären und somit letztlich das Wachstum zurückginge. Das jedoch muss laut Regierungsbeschluss zwischen 6,5 und sieben Prozent liegen.

"Die Regierung steht vor dem Dilemma, ob sie mit dem Bauboom die Konjunktur weiter stützen oder ob sie die Immobilienblase rechtzeitig in den Griff bekommen möchte", beschreibt Bernhard Allgäuer, Anlagestratege bei der VP-Bank, Pekings Dilemma. Sorgt sie jetzt für eine Abkühlung der Immobilienpreise, dann drohen sofort Probleme, beispielsweise mit unzufriedenen Bürgern. Lässt sie die Blase jedoch weiterwachsen, sind erst einmal alle glücklich, dafür werden die Probleme später umso größer. Doch Peking scheint sich derzeit genau dafür zu entscheiden.

Quelle: n24.de


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