Entlassung nach 0,98 Promille: Stadt Wien gibt sich nüchtern

  07 Juni 2016    Gelesen: 707
Entlassung nach 0,98 Promille: Stadt Wien gibt sich nüchtern
0,98 Promille reichen für die Entlassung eines Mitarbeiters der MA 48, entschied der Oberste Gerichtshof. So klar war das bisher nicht.

Bei der Stadt Wien, also auch bei der Magistratsabteilung (MA) 48, die für die Abfallwirtschaft und Straßenreinigung zuständig ist, gilt während der Dienstzeit ein striktes Alkoholverbot. Dass dieses Verbot nicht ausnahmslos von allen Mitarbeitern der MA 48 eingehalten wird, ist im Rathaus durchaus bekannt. Besorgt um ihren Ruf, versucht die Stadt seit einiger Zeit dem Alkoholkonsum ihrer Mitarbeiter einen Riegel vorzuschieben. Die Personalvertretung verweist in Broschüren auf ihre 0,0-Promille-Policy. Und auch in den umfangreichen Dienstanweisungen der MA 48 wird das Alkoholverbot betont.



Frühe Rückkehr unerwünscht

Doch all diese Maßnahmen greifen nicht immer. Das zeigt folgender Fall: Der Vertragsbedienstete Herr S. arbeitete bei der MA 48 als Müllaufleger. Schon 2012 war er einmal alkoholisiert während der Dienstzeit erwischt, ermahnt und darauf hingewiesen worden, dass ihm bei einem zweiten derartigen Vorfall die Auflösung seines Dienstverhältnisses drohe.

So kam es auch. Im Juli 2014 wurde er nach Abschluss seines Tagespensums, jedoch noch während seiner Dienstzeit, gemeinsam mit Kollegen in der orangefarbenen Dienstkleidung in einem Lokal angetroffen, und zwar nicht ganz nüchtern, sondern mit 0,98 Promille im Blut. Die daraufhin folgende Entlassung wollte Herr S. nicht hinnehmen. Und sein Rechtsanwalt, Oliver Scherbaum, lieferte Argumente, die jedenfalls das Arbeits- und Sozialgericht (ASG) überzeugten: Ja, Herr S. habe zwar während der Dienstzeit zwei Bier konsumiert, aber eben erst, nachdem er seine Tagesarbeit erledigt hatte.
Die Dienstzeit beginnt nämlich bei der MA 48 um 6 Uhr und endet um 14 Uhr. So mancher Mülltrupp hat die vorgesehene Strecke mit dem Müllwagen schon weit vor Dienstschluss absolviert, also seine Arbeit weit vor 14 Uhr erledigt. Doch was dann?

„Eine Rückkehr der Mitarbeiter in die Unterkünfte der MA 48 vor 13.30 Uhr ist seitens der Stadt Wien nicht erwünscht, vielmehr sollen sie außerhalb der Unterkunft allenfalls in Lokalen verweilen“, erklärt Scherbaum in seinem Schriftsatz. Ihnen dann vorzuwerfen, dass sie in einem Lokal während dieser Überbrückungszeit ein leicht alkoholisches Getränk zu sich nehmen würden, sei unzulässig – und jedenfalls kein Entlassungsgrund. Überhaupt sei – Dienstanweisung hin, Broschüre her – das Alkoholverbot „von den Müllauflegern seit Jahrzehnten anders gelebt und von der Beklagten (Anm.: der Stadt Wien) akzeptiert worden“.

Und noch einen Punkt führte Scherbaum vor Gericht ins Treffen: Die Stadt Wien behandle – so hätte sein Klient mehrfach beobachten können – nicht alle Mitarbeiter der MA 48 gleich. Während die vertragsbediensteten Müllaufleger bei einem Verstoß gegen das Alkoholverbot mit einer Entlassung rechnen müssten, würde gegen beamtete Kollegen nicht in der gleichen Härte vorgegangen: ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot.

Wie gesagt, schloss sich das ASG der Rechtsmeinung von Herrn S. an. Nicht so das Berufungsgericht, das die Stadt Wien angerufen hatte. Sein Fazit: Die Entlassung ist wirksam. Schon die erste Abmahnung von Herrn S. im Jahr 2012 habe gezeigt, dass Alkoholkonsum eben nicht geduldet würde. Im Wiederholungsfall habe er mit einer Entlassung also rechnen müssen. Wenig überraschend sah der Oberste Gerichtshof das auch haargenau so. Das Urteil ist damit rechtskräftig.



Gibt es nicht genug zu tun?

Fragen bleiben dennoch. Etwa: Dürfen die MA-48-Mitarbeiter sich tatsächlich nicht vor 13.30 Uhr in ihrem Stützpunkt blicken lassen? Kann es sein, dass eine Evaluierung der Arbeitsauslastung sinnvoll wäre, wenn doch einige Mitarbeiter schon deutlich vor 14 Uhr ihre Arbeit erledigt haben? „Grundsätzlich sollte es nicht passieren, dass die Mitarbeiter vor Dienstschluss mit ihrer Arbeit fertig sind“, sagt ein Sprecher der MA 48. „Aber natürlich, es gibt immer etwas zu verbessern. Wir sind bemüht, unsere Arbeitsabläufe zu optimieren.“

Quelle: diepresse.com

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