Antidepressiva bei Minderjährigen weitgehend wirkungslos

  09 Juni 2016    Gelesen: 691
Antidepressiva bei Minderjährigen weitgehend wirkungslos
Medikamente zur Behandlung depressiver Kinder und Jugendlicher wirken meist nicht. Teilweise verschlimmern sie die Probleme sogar, wie eine aktuelle Studie zeigt.
Depressiven Kindern und Jugendlichen helfen die gängigen Antidepressiva Wissenschaftlern zufolge weitgehend nicht. In Einzelfällen könnten die Mittel sogar suizidale Tendenzen der minderjährigen Patienten steigern, heißt es in der Veröffentlichung eines internationalen Forscherteams (The Lancet: Cipriani et al., 2016). Für die Studie hatten die Wissenschaftler die Befunde aus 34 klinischen Tests an mehr als 5.000 Patienten im Alter zwischen neun und 18 Jahren ausgewertet.

Nur das Antidepressivum Fluoxetin habe bei der Behandlung der Minderjährigen eine positive Wirkung gezeigt, heißt es in der Untersuchung. Der ebenfalls zur Depressionsbehandlung eingesetzte Wirkstoff Venlafaxin habe sogar stärker ausgeprägte Suizidgedanken bewirkt. Weitere Mittel seien weitgehend wirkungslos geblieben.

Es zeichne sich "kein klarer Vorteil" für die Behandlung schwer depressiver Kinder und Jugendlicher mit den gängigen Antidepressiva ab, wenn Risiken und potenzieller Nutzen abgewogen werden, resümieren die Autoren. Sie empfehlen eine genaue Beobachtung der minderjährigen Patienten, die mit solchen Medikamenten behandelt werden. Die Studienautoren beklagen, dass es einen Mangel an gesicherten Erkenntnissen über die Auswirkung von Antidepressiva speziell bei Minderjährigen gebe.

Die Daten decken sich mit Erhebungen aus den vergangenen Jahren. Aufgrund der unsicheren Datenlage raten Ärzte schon seit Längerem davon ab, Kinder mit Venlafaxin zu behandeln. Seit 2014 ruht zudem die Zulassung des Mittels. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass indische Studien, die zur Zulassung des Medikaments geführt hatten, gefälscht sind, setzte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Venlafaxin auf eine entsprechende Verbotsliste. Das heißt: Apotheken, Groß­händler und Unternehmen dürfen diese Mittel nicht mehr verkaufen.

In Deutschland werden immer mehr depressive Kinder und Jugendliche in Krankenhäusern behandelt. Zwischen 2004 und 2012 hat sich die Zahl der stationären Behandlungen bei Patienten zwischen zehn und 20 Jahren bundesweit auf 12.567 Fälle verdreifacht, berichtete die Krankenkasse DAK-Gesundheit mit Bezug auf Daten des Statistischen Bundesamts.

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