Seat Ateca – der funktionale Waldläufer

  09 Juni 2016    Gelesen: 823
Seat Ateca – der funktionale Waldläufer
Der Seat Ateca ist das erste SUV der Spanier und wird gerade deshalb mit Stolz präsentiert. Auch der Zuspruch des Publikums ist enorm. Tausende Blindbestellungen gehen bereits vor dem Marktstart ein. Der Ateca hat scheinbar alles, nur eine Kleinigkeit fehlt.
Die Spanier sind stolz. Nicht weil König Philipp in Friedrich Schillers Drama "Don Carlos" sagt: "Stolz will ich den Spanier!" Auch nicht, weil das Volk der iberischen Halbinsel ohnehin als stolz gilt. Nein, der Grund ist das erste SUV, das die VW-Tochtermarke am 2. Juli auf den Markt bringt. Bereits jetzt, so berichtet der Seat-Chef Deutschland Bernhard Bauer, seien 5000 Blindbestellungen für das Ateca getaufte SUV eingegangen. Das ist umwerfend und bereits ein Viertel des avisierten Jahresabsatzes.

Tatsächlich passt sich das Midsize-SUV ganz hervorragend in die erfolgreiche Optik der vor allem durch den Leon geprägten Familie ein. Drei Grundsätze sollen es nach Aussagen der Designer sein, die die Form des Ateca prägen: Spannung, Skulptur und Charakter. Dahinter verbergen sich ein kontrollierter Verlauf der Linien, breite muskulöse Schultern und ein leicht angestellter Blick, der sich in den Scheinwerfern an Front und Heck manifestiert. Wichtiger ist aber wohl, dass der Lufteinlass an der Front nach oben gezogen wurde, fast quadratische Radläufe eine gewisse Wucht in die Silhouette bringen und man am Heck die Schürze hebt. Hinzu kommen die bekannten Attribute eines Offroaders in Form von Unterfahrschutz und Verplankungen. So gesehen haben die Designer in Martorell alles richtig gemacht.

Wo sind die Emotionen?

Vielleicht nicht ganz, denn etwas fehlt: Emotionen. Das was einst den Claim bei Seat ausgemacht hat wurde einem funktionalen Massengeschmack untergeordnet. Man möge das nicht falsch verstehen, der Ateca ist ein gelungenes SUV, das keinen Makel hat. Doch dem einen oder anderen könnte etwas spanisches Feuer fehlen, wie es der Seat Leon in all seinen Facetten versprüht und auf dessen Plattform der Ateca ruht. Dafür bietet das nur 4,36 Meter lange SUV in beiden Reihen Platz, über den normal große Menschen nicht klagen müssen. Der Kofferraum schluckt als Fronttriebler 510 Liter, bei umgelegter Rückbank sind es 1604 Liter. Wer sich für die Allradvariante entscheidet, der bekommt noch einen Stauraum, der 485 Liter, respektive 1579 Liter fasst. Unschön ist, dass bei der Erweiterung des Laderaums eine fast zehn Zentimeter hohe Kante beim Übergang von Kofferraumboden zur Rückbanklehne entsteht.

Doch wenden wir uns dem zu, was den Fahrer im Innenraum erwartet. Neben kantigen Formen, die aus dem Leon bekannt sind, platziert sich der Pilot auf gut ausgeformten Sitzen. In den Händen liegt ein griffiges Volant und der Blick fällt auf gut ablesbare analoge Rundinstrumente. Haptisch erfreut eine weich geschäumte Armatur und gut zu erreichende Knöpfe und Regler erleichtern die Arbeit. Zudem gibt es eine Überraschung: Der Start-Stopp-Knopf begrüßt den Schlüsselträger mit einem herzschlaggleichen Blinken wenn er seinen Platz einnimmt. Etwas Emotion ist also doch da.

Neu ist für den Fahrer der Fahrmodischalter in der Mittelkonsole. Hier kann die Gangart von Eco über Normal, Sport, Offroad oder Schnee gewechselt werden. Die Einstellung Sport kann für den Ateca getrost ausgeklammert werden, denn als Kurvenräuber ist er nur bedingt tauglich. Zu feinsinnig wurde sein Fahrwerk abgestimmt, um auch auf Abwegen eine gute Figur zu machen. Und das kann der Spanier ganz ausgezeichnet. Geschmeidig federt er grobe Unebenheiten heraus, lässt sogar unschöne Querfugen außen vor. Hinzu kommt, dass mit 19 Zentimetern Bodenfreiheit und optionalen Allrad tatsächlich auch der Gang in leichtes Gelände gewagt werden kann. Bei Verschränkungsfahrten, bei steilen Bergabfahrten oder schlüpfrigem Untergrund, sorgt die bewährte Haldexkupplung aus dem VW-Regal für problemlosen Grip.

Wie beschleunige ich mich?

Natürlich kommt es auch hier darauf an, mit welcher Motorisierung man sich auf die Socken macht. Neben einem Dreizylinder, der 115 PS leistet - der aber erst Ende des Jahres verfügbar ist - gibt es die bekannten 1,4 Liter Benziner mit 150 PS, einen kleinen 1,6 Liter Diesel der 115 PS und die 2.0 Liter Selbstzünder mit 150 und 190 PS. Die beste Wahl für den Ateca scheint der Diesel mit 150 PS zu sein, dessen Verbrauch im Datenblatt mit 4,3 Litern angegeben ist. Der hat zwar nicht die 400 Newtonmeter des großen Diesel, verteilt seine 340 Newtonmeter aber unaufdringlich kraftvoll und schiebt die 1,4 Tonnen beim Standardsprint auf Tempo 100 in 8,3 Sekunden ausreichend flott voran. Die Spitzengeschwindigkeit gibt Seat mit 202 km/h an. Ob die Gänge manuell oder über das 7-Gang-DSG eingelegt werden ist Geschmackssache.

Der Handschalter bewegt sich butterweich durch die Gassen, hat aber den Nachteil, dass auf bergigen Strecken und in der Stadt schon mal ordentlich gerührt werden muss. Das DSG macht das automatisch, genehmigt sich aber die eine oder andere Gedenksekunde. Das ist beim stärkeren Diesel nicht anders. Hier ist der Ton aber deutlich rauer. Wichtig für die Wahl der Motorisierung ist auch die Frage, ob der Ateca als Zugpferd eingesetzt werden soll. Eine elektrisch aus- und einfahrbare Anhängerkupplung macht es jedenfalls möglich. Je nach Motorisierung können zwischen 1,3 bis 2,1 Tonnen weggeschleppt werden.

Der Preis ist heiß?

Wer dem Diesel-Braten ohnehin nicht traut, der greift zum Benziner und spart auch noch Geld. Der eben schon erwähnte Dreizylinder startet ab 19.990 Euro, während für den kleinen Diesel bereits 23.190 Euro aufgerufen werden. Wer den stärksten Sauger mit 150 PS, Allrad und 6-Gang-DSG bestellt, muss mindestens 31.100 Euro bereithalten, während der 190-PS-Diesel mit 7-Stufen-Automatik und 4WD stattliche 35.580 Euro kostet. Das sind selbstredend nur die Einstiegspreise. Je größer die Wünsche sind, desto höher wird der Preis.

Und der kann auch beim Ateca deutlich nach oben korrigiert werden. Die Liste der Optionen reicht hier vom Ambientelicht mit acht Farben über eine induktive Lademöglichkeit für das Smartphone bis hin zu sämtlichen Assistenzsystemen, die der Mutterkonzern bereithält. Dazu gehört eine 360-Grad-Rundumsicht - die über vier Kameras bis zu 30 unterschiedliche Blickwinkel auf den 8 Zoll großen Monitor projiziert. Ebenfalls verfügbar sind Parkassistenten, Querverkehrwarner oder adaptive Assistenten, die im Stau helfen, selbständig die Spur zu halten oder in Notsituationen bremsen.

Letztlich gibt es nichts daran zu rütteln, dass die Spanier mit dem Ateca ein vollwertiges SUV auf die bis zu 18 Zoll großen Räder gestellt haben, das ob seines Preis-Leistungs-Verhältnisses seine Käufer finden wird. Die Emotionen rücken dabei in den Hintergrund und geben der Funktionalität den Vorzug. Schlecht muss das nicht sein, wie die wachsende Liste der Besteller belegt. Wer sich jetzt selber einen Eindruck verschaffen möchte ohne dabei in ein Seat-Autohaus zu gehen, der hat unterdessen online die Möglichkeit. Im Zuge einer neuen Kommunikationsstrategie bieten die Spanier seit Mai im sogenannten Seat Live Store die Möglichkeit sich bei einem Video-Telefonat, rund um die Uhr beraten zu lassen.

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