Viele Länder haben schon interveniert. Die EU-Kommission ist gegen die neue Leitung. Doch in aller Stille läuft das Projekt weiter.
Nord Stream II hat sich wieder gut versteckt, auch im Programm des Weltwirtschaftsforums in Sankt Petersburg. Wenn dort von Donnerstag an Russlands Wirtschaftselite zusammentritt, findet sie eines der größten Wirtschaftsprojekte des Landes in der Tagesordnung nur verschlüsselt wieder. "Die Geo-Ökonomie großer Infrastruktur-Projekte" heißt das zugehörige Panel, mit dabei: Gazprom-Chef Alexej Miller. Keiner will viel Wind machen um das Acht-Milliarden-Euro-Projekt. Die Causa ist zu heikel - nicht geo-ökonomisch, sondern eher geopolitisch.
Quasi parallel zur bestehenden Nord-Stream-Leitung soll die neue Pipeline von 2019 an russisches Gas nach Deutschland schaffen, vorbei an der Ukraine, an Polen, den baltischen Staaten. Die Länder haben alle schon interveniert, Italiens Premier Matteo Renzi ist deswegen auf einem EU-Gipfel explodiert, die Europäische Kommission ist strikt dagegen.
Doch in aller Stille läuft das Projekt weiter. Die Aufträge für die Rohre sind erteilt, eine Ausschreibung für deren Verlegung läuft gerade - alles mit dem Wohlwollen der Bundesregierung, ungeachtet der Russland-Sanktionen. "Für uns ist das im Kern erst mal ein wirtschaftliches Projekt", sagt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Folglich solle das auch "von seiner wirtschaftlichen Seite her betrachtet werden".
Für Sigmar Gabriel ist die neue Leitung ein rein wirtschaftliches Projekt
Gemessen daran hat Gabriel schon ziemlich viel politisches Kapital in die Sache gesteckt. Ende Oktober reiste der SPD-Chef nach Moskau. Was Deutschland und Russland so auseinanderbringen konnte, sei ihm "völlig unklar", sagte Gabriel damals nach einem Treffen mit Wladimir Putin in dessen Residenz Nowo Ogarjowo. Schließlich hätten beide Staaten noch im Jahr 2000 "ein exzellentes Verhältnis" gehabt. Die "Situation um die Ukraine" jedenfalls schied für Gabriel aus; sie sei aus seiner Sicht nur ein Symptom, nicht der Grund für die Probleme. Damals brachte Gabriel erstmals eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen ins Spiel.
Fragen der Energieversorgung, so schlug der Vizekanzler damals vor, sollten Deutschland und Russland möglichst unter sich regeln, um "politische Einmischung" zu vermeiden. Wenn es gelinge, rechtliche Fragen "in der Kompetenz der deutschen Behörden" zu halten, ließe sich "Einmischung von außen beschränken". Und das in einer Zeit, in der die EU-Kommission fieberhaft an einer "Energie-Union" bastelt, um Europa krisenfester zu machen - etwa bei der Gasversorgung.
Vorige Woche sprach der zuständige EU-Kommissions-Vize Maroš Šefčovič in Berlin eine geschlagene halbe Stunde über die deutschen Energiewirtschaft. Er pries die Energie-Union, hob die Bedeutung zusätzlicher Transportwege hervor, nur ein Wort ging ihm nicht über die Lippen: Nord Stream II. Die Verhandlungen darüber laufen im Hintergrund, und sie laufen zäh. Tatsächlich könnte es gelingen, mit der Leitung nicht nur Osteuropa zu umgehen, sondern auch den Slowaken Šefčovič und seine Behörde. Der mag die Leitung gar nicht. Doch womöglich sind ihm die Hände gebunden. Das dritte Energiepaket der EU verlangt zwar, dass Gasproduzenten nicht gleichzeitig Betreiber der Pipelines sein dürfen. Die Nord-Stream-Leitung, die zur Hälfte Gazprom gehört, würde dagegen verstoßen.
Quelle: sueddeutsche.de
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