Der Rolls-Royce Dawn fährt nicht, er schwebt

  14 Juni 2016    Gelesen: 754
Der Rolls-Royce Dawn fährt nicht, er schwebt
Nach einer Fahrt in dem 330 000 Euro teuren Cabrio wirkt jedes andere Auto erschreckend banal.

Es gibt Dinge im Automobilbau, die wunderbar und dennoch fast ausgestorben sind. Der Saugmotor zum Beispiel. Oder Klappscheinwerfer, von Romantikern auch Schlafaugen genannt. Oder die Kühlerfigur. Früher, also ganz früher, ein sehr beliebtes Accessoire, mit dem Autobauer sofort klarmachten: Der hier ist von uns! Inzwischen ist es aus der Mode gekommen. Da selbst Mercedes den Stern immer öfter von der Motorhaube in den Kühlergrill verfrachtet, bleibt eigentlich nur Rolls-Royce als letzter Hersteller, dessen Autos ausnahmslos eine Kühlerfigur in den Fahrtwind recken.

Und was für eine! Die Spirit of Ecstasy, besser bekannt als Emily, ist eines der berühmtesten Herstellersymbole der Autogeschichte. Seit mehr als einem Jahrhundert ziert sie den Rolls-Royce, ist Kennzeichen der mondänsten Form der Mobilität. Wer Emily erblickt, hat es mit dem höchsten Level des Automobilbaus zu tun, mit einem der teuersten Fahrzeuge, die der Markt hergibt. Rolls-Royce, das ist eher ein Mythos als ein Fortbewegungsmittel.

Ein Schirm, der sich im Kotflügel versteckt

So sieht es wohl auch der freundliche Mitarbeiter der Rolls-Royce-Niederlassung, in der das zu testende Cabrio Dawn zur Abholung bereitsteht. Geduldig erklärt er die Funktionen dieses Monuments, die dann doch ziemlich banal sind. Auf Tastendruck öffnendes und schließendes Verdeck? Das hat inzwischen fast jedes Cabrio. Automatik-Wählhebel hinter dem Lenkrad? Auch das kennt man von diversen Modellen. Okay, das mit den hinten angeschlagenen Türen ist anders als bei anderen - erst recht, da sie sich von innen per Knopfdruck schließen lassen. Sich unelegant weit hinüber zum Türgriff zu beugen, kann man von einem Rolls-Royce-Fahrer auf keinen Fall erwarten.

Eine echte Eigenheit sind die in den vorderen Kotflügeln verstauten Regenschirme. "Drücken Sie diese unbedingt komplett hinein, nachdem Sie sie benutzt haben", mahnt der Rolls-Royce-Mann. "Sonst hinterlässt der Griff böse Dellen, wenn Sie die Tür schließen." Schnell fällt die Entscheidung, den Schirm unter allen Umständen dort zu belassen, wo er ist, selbst beim schlimmsten Unwetter. Nicht auszudenken, wenn wegen einer Unachtsamkeit die Tür kaputtgeht, die allein den Gegenwert eines asiatischen Kleinwagens haben dürfte.

Weich und handgemacht
Insgesamt kostet der Rolls-Royce Dawn 330 000 Euro. Für den Fall, dass der Kunde keinerlei Sonderausstattung wünscht. Doch Sonderwünsche hat eigentlich jeder. Der Testwagen bietet ein ganzes Arsenal an Extras. Zum Beispiel eine Innenausstattung aus knallrotem, genarbtem Leder - die wohl weichste Tierhaut, die überhaupt in Autos verarbeitet wird. Genauso wie die Lammwoll-Teppiche, gegen die der heimische Flokati ein schroffer Lappen ist. Dazu das bei Yachten sehr beliebte Teakholz und Details, auf die kaum ein normaler Autofahrer achtet, die Rolls-Royce-Klientel dafür umso mehr: handgemachte Stickereien, handgemalte Zierlinien, handgedengelte Einstiegsleisten, solche Dinge.

Natürlich bringt der offene Rolls-Royce viel von Konzernmutter BMW mit - vielleicht zu viel. So manchen Schalter hätten sie in der Manufaktur in Goodwood durchaus gegen einen eigenen austauschen können. Das Bediensystem ist unverkennbar BMWs iDrive, nur mit anderer Grafik. Was plausibel und nutzerfreundlich ist, aber allein der Gedanke, dass fast jeder BMW-3er-Fahrer am gleichen Rädchen dreht und drückt wie ein Rolls-Royce-Chauffeur, das hat etwas Befremdliches. Zumindest bietet kein BMW-Cabrio so viel Platz wie der Dawn. Hier logiert man hinten komfortabler als in den meisten Autos auf den vorderen Sitzen.

Quelle: sueddeutsche.de



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