Schafft Griechenlands Wirtschaft die Wende?

  16 Juni 2016    Gelesen: 836
Schafft Griechenlands Wirtschaft die Wende?
Hohe Steuern und Abgaben drücken die griechische Wirtschaft zu Boden. Immer mehr Geschäfte schließen, die Menschen haben kein Geld mehr in der Tasche. Einzige Hoffnung: Dass die Talsohle endlich erreicht ist. Eine trügerische Hoffnung.
Der Wind weht trockene Blätter über den Marmorboden. Dreck und Papier haben sich in den Ecken der traditionsreichen Athener Einkaufspassage «Stoa Arsakeiou» angesammelt. Die elegante Jugendstil-Wandelhalle mit ihrem hohen Dach aus Milchglas wäre in anderen europäischen Hauptstädten der Renner. Nicht so im Athener Stadtzentrum. Dort machen immer mehr Läden dicht - in der Stoa haben nur zwei von 20 Geschäften die Krise überlebt, der Rest hat längst die geschwungenen, altmodischen Rollgitter heruntergelassen.

"Sie würde sich im Grab umdrehen, wenn sie das hier sehen könnte", sagt Marina Tsinisizeli und zeigt ein gemaltes Porträt ihrer Großmutter. Seit Generationen wird der kleine Schmuckladen, der bis heute in der Passage sein Dasein fristet, von der Familie betrieben. Was als Absicherung für künftige Generationen gedacht war, verursacht nur noch Kummer. "Wir machen weiter, weil wir den Laden lieben - aber Geld verdienen wir damit schon längst keines mehr. Das bisschen, was wir noch einnehmen, holt sich der Staat", sagt Marinas Tochter Eleftheria, die das Geschäft jetzt führt.

Traditionsgeschäfte brechen weg

Nikos Giorgokostas vom griechischen Händlerverband ESEE kann diese Aussage mit Zahlen untermauern. "Für jede 100 Euro Umsatz fallen 60 bis 65 Euro Steuern, Abgaben und Beiträge für die Renten- und die Krankenkasse an. Dazu muss noch der eigene Laden mit Produkten bestückt, müssen Miete, Strom und Wasser gezahlt werden."

Wie viel Umsatz, fragt Giorgokostas rhetorisch, soll denn ein Händler machen, um seine Familie zu ernähren? Zumal die Kunden ausbleiben, weil sie sparen müssen oder längst arbeitslos sind? "Seit Ausbruch der Krise im Jahr 2009 haben 250.000 Geschäfte und Manufakturen zugemacht. Nur etwa 100.000 wurden im selben Zeitraum neu gegründet", sagt Giorgokostas.

Und nicht nur das - eingegangen sind ihm zufolge Traditionsgeschäfte aller Branchen, während es sich bei den Neugründungen hauptsächlich um Gastronomiebetriebe handelt, um Cafés, Bars und Tavernen. "Die Leute versuchen das als Notlösung, um überhaupt etwas zu machen - aber diese Unternehmen gehen meist so schnell ein, wie sie gegründet wurden."

Ein Ende des Teufelskreises ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Bei einer Erhebung der Athener Industrie- und Handelskammer gaben jüngst 90 Prozent der Befragten an, die vielen Sparmaßnahmen würden die Wirtschaft des Landes noch tiefer in die Krise stürzen. Darüber hinaus glauben 78 Prozent der Griechen, dass die Regierung ihre gesteckten Sparziele in Höhe von 5,4 Milliarden Euro nicht erreichen und deshalb weitere Steuererhöhungen vornehmen wird.

"Wir haben die Situation selbst verschuldet"

Das befürchtet auch Panagiotis Petrakis, Professor für Wirtschaft an der Universität Athen. "Der Erfolg der Sparmaßnahmen hängt stark von einer positiven Wirtschaftsentwicklung ab, und die ist nicht gegeben." Allerdings kann er der radikalen Flurbereinigung auch etwas Gutes abgewinnen: "Es hat sich in der Krise gezeigt, dass es durchaus widerstandsfähige Branchen und Bereiche gibt, etwa den Tourismus und den Export." Sie bildeten eine gute Basis, um irgendwann wieder durchzustarten.

"Doch zunächst müssen wir uns in Geduld üben, und es ist nun mal so: Wir haben die Situation selbst verschuldet", sagt Petrakis. Wichtig sei jetzt vor allem, dass die Banken wieder auf die Beine kämen. "Das könnte bereits in zwei bis drei Jahren der Fall sein", hofft er – "vorausgesetzt, wir bleiben vertrauenswürdig und die Menschen wählen nicht wieder jemanden, der ihnen das Blaue vom Himmel herunter verspricht. Stattdessen wäre es gut, wenn sich die Situation jetzt erstmal stabilisiert."

Stabilität und vor allem Ruhe wünscht sich auch Handels-Fachmann Nikos Giorgokostas. "Die ständige Unsicherheit, die vielen Verhandlungen, immer neue Steuern und Maßnahmen, all das ist Gift." Stattdessen wäre es gut, wenn nun etwas Zeit bliebe, langsam wieder in die Spur zu kommen. Darauf setzt auch Schmuckladen-Inhaberin Eleftheria Tsinisizeli. Auf einen Stopp der Hiobsbotschaften - und auf die ausländischen Gäste des Landes: "Sie sind die einzigen, die hier noch etwas kaufen."

Quelle: n-tv.de

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