Geschichte des Fußballs: So kickte das Mittelalter

  17 Juni 2016    Gelesen: 874
Geschichte des Fußballs: So kickte das Mittelalter
Bereits im dritten Jahrhundert spielten die Chinesen eine Art Fußball, die Azteken und Maya sogar noch früher. Im Mittelalter sorgte das Spiel für zerschossene Kirchenfenster, Hexerei-Vorwürfe und Blutrache.
Für Fußballfans mag es wie ein Traum klingen: Als im Jahr 1689 Ferdinando de` Medici, Erbprinz der Toskana, seiner Angetrauten Violante Beatrix von Bayern das Jawort gab, gehörte zu den Highlights der Feierlichkeiten ein Fußballturnier - mit den besten Spielern der Stadt Florenz.

Nun entsprach Ferdinando nicht gerade unserem modernen Bild eines Fußball-Afficionados - er liebte eigentlich die Musik mehr als den Sport, spielte leidenschaftlich Cembalo und wirkte an großen Opernproduktionen mit. Trotzdem war das Fußballturnier zu seiner Hochzeit ein unbedingtes Muss. Familienehre, sozusagen. Denn der Fußball war der Familiensport der Medici.

Spiel auf dem Eis

"Die Medici erhoben das Spiel in Zeiten der Renaissance zu ihrem Markenzeichen, machten ihn in Florenz zum Nationalsport", erklärt der Kulturhistoriker Wolfgang Behringer von der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, der die Geschichte des Fußballs vom ersten Auftauchen in den Quellen bis heute erforscht hat.

Calcio nannten sie das Fußgerangel um den Ball, der nach einer Regel aus dem Jahr 1625 aus weißem Leder genäht und mit Luft gefüllt zu sein hatte. Als Spielfeld dienten die großen Plätze, etwa die Piazza Santa Croce oder der Platz vor der Kirche Santa Maria Novella. Am Rand drängten sich die Zuschauer - wer Glück hatte, ergatterte einen Platz in einem der Fenster der umliegenden Häuser und konnte das Spiel von oben verfolgen.

Im Winter musste auch schon mal der gefrorene Arno als Spielfläche herhalten - zumindest in Jahren wie 1491, wenn es kalt genug dazu war. "Ebene, nicht zugebaute Flächen ohne Wälder waren selten, da wurde die freie Eisfläche sofort zum Fußballplatz erklärt", erläutert Behringer.

Die Wurzeln des Fußballs reichen jedoch noch viel weiter zurück in die europäische Geschichte. England, Italien und Frankreich waren die Hochburgen des Sports, der in seiner Urform allerdings noch wesentlich wilder war als die zivilisierte Medici-Variante.

Der britische Chronist William Fitzstephen berichtet in seiner bereits im 11. Jahrhundert entstandenen Beschreibung Londons, dass an freien Tagen Jung und Alt ihre Bälle nahmen und auf die Moorfields hinauszogen, ein Brachland vor den Toren der Stadt. Beliebte Feiertage für Turniere waren traditionell der Faschingsdienstag oder der Aschermittwoch.

Oft waren es auch ganze Dörfer oder Städte, die gegeneinander antraten: Wer zuerst den Ball durch das gegnerische Stadttor kickte, hatte gewonnen. Noch heute nennen wir den Metallrahmen mit dem eingespannten Synthetiknetz ein "Tor".

Begrenzungen für eine Spielerzahl gab es nicht. Und auch kein Zeitlimit. Das Spiel endete oft erst, wenn es so dunkel wurde, dass niemand mehr den Ball sehen konnte.

Geldstrafe für das Fußballspielen im Jahr 1424

Aber auch innerhalb der Städte suchten die Kicker sich ihre Plätze: "In England waren vor allem Straßenkreuzungen bei den Fußballspielern beliebt", sagt Behringer. Oder der Dorfplatz neben der Kirche. "Bei vielen alten Kirchen in England sind die oberen Fenster vergittert - viel weiter oben, als sinnvoll wäre, wenn die Kirche sich nur vor Einbrechern schützen wollte", erklärt der Historiker. "Das waren Schutzgitter, damit die harten Bälle nicht die Fensterscheiben zertrümmern."

Massenraufereien oder schwere Unfälle gehörten bei den Spielen zur Tagesordnung. Oft galt als einzige Regel: "Du darfst nicht töten!" Doch auch diese hielten nicht unbedingt alle Spieler ein, immer wieder ließen Fußballer ihr Leben. "Sogar Blutrache nach solchen Vorfällen ist bekannt", führt Behringer aus.

Im 16. Jahrhundert artete ein Familienstreit nach einem Tod auf dem Fußballplatz derart aus, dass am Ende beide Familien sich der Hexerei bezichtigten und versuchten, sich so gegenseitig auf den Scheiterhaufen zu bringen. "Der Fall landete schließlich vor dem König James I., der den Streit am Ende schlichten konnte."

Anfänge in China und Lateinamerika

Mitunter half nur noch ein radikales Verbot. Insgesamt 30 mal wurde das Fußballspiel zwischen den Jahren 1314 und 1667 in der Öffentlichkeit untersagt. Wer trotzdem kickte, musste mit empfindlichen Strafen rechnen. "1424 beispielsweise wurde eine Geldstrafe für das Fußballspielen verhängt", sagt Behringer.

Die Idee, einen Ball mit den Füßen und Beinen durch ein Ziel zu kicken, können die Europäer aber nicht für sich alleine beanspruchen. Alle taten es: Die Chinesen spielten bereits im 3. Jahrhundert vor Christus Cuju; die Azteken und Maya versuchten wohl sogar schon tausend Jahre früher, mit der Hüfte einen kiloschweren Kautschukball durch kleine Reifen zu bugsieren.

Gegenseitig beeinflusst haben sich diese Fußballvarianten allerdings nicht. Wahrscheinlich ist das Fußballspiel einfach ein so tief verankertes Grundbedürfnis des Menschen, dass er es - wie die Benutzung des Feuers - im Laufe seiner Entwicklung immer wieder an voneinander unabhängigen Orten neu erfand.

Quelle : spiegel.de

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