Zeugen bestätigen Unregelmäßigkeiten bei Wahl

  20 Juni 2016    Gelesen: 454
Zeugen bestätigen Unregelmäßigkeiten bei Wahl
Zu früh geöffnete Kuverts, unbefugte Stimmauszähler – doch Wahlbetrug habe es bei der Präsidentenwahl nicht gegeben, sagen Zeugen. Die FPÖ war vor Gericht gezogen.
Bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich hat es offenbar zahlreiche Unregelmäßigkeiten gegeben. Zum Auftakt des Prozesses um die Gültigkeit der Wahl bestätigten Zeugen wesentliche Vorwürfe der rechtspopulistischen FPÖ. Demnach wurden in den Wahlbezirken Innsbruck-Land und Südoststeiermark formale Fehler gemacht. So seien Wahlumschläge vorzeitig geöffnet worden und Briefwahlstimmen von Personen ausgezählt worden, die gar nicht zur Wahlkommission gehörten. Die Zeugen begründeten ihr Vorgehen mit der Zeitnot wegen der Rekordbeteiligung bei der Briefwahl. Hinweise auf Wahlbetrug gebe es aber nicht.

Der Verfassungsgerichtshof hatte am Montag mit der Befragung von etwa 90 Zeugen aus den Bezirkswahlbehörden begonnen – es ist das bislang größte Beweisverfahren in der Geschichte des Gerichts. Entscheidend wird sein, welches Ausmaß und welche Schwere an formalen Fehlern die Kammer feststellt. Erst wenn die Richter davon ausgehen, dass die Vorgänge relevant für den Ausgang der Wahl waren, wird diese möglicherweise wiederholt.

Die FPÖ, deren Kandidat Norbert Hofer nur um 31.000 Stimmen den Sieg verpasst hatte, hatte die Wahl angefochten, weil es in 94 von 117 Bezirkswahlbehörden Unregelmäßigkeiten gegeben habe. Zunächst hatte Hofer noch erklärt, nicht gegen das Ergebnis vorgehen zu wollen.

"Das ist sonst nicht zu schaffen"

Unter anderen sagte der Wahlleiter des besonders großen Wahlbezirks Innsbruck-Land, Wolfgang Nairz, aus. Dort wurden allein rund 14.000 Briefwahlstimmen ausgezählt. Wie Nairz einräumte, wurde das äußere der beiden Wahlkuverts bereits am Sonntag geöffnet. Laut Wahlgesetz dürfen die Stimmen der Briefwahl jedoch erst ab 9 Uhr des Folgetags der Wahl ausgezählt werden. "Das ist sonst nicht zu schaffen", sagte Nairz. Es habe eine Ermächtigung dazu durch die Wahlkommission für vorbereitende Wahlhandlungen gegeben. Allerdings sei diese Ermächtigung mündlich erfolgt und nicht dokumentiert worden. Die FPÖ argumentiert, dass bereits geöffnete Kuverts nicht in die Auszählung einfließen dürften.

Eine von der FPÖ entsandte Beisitzerin der Wahlkommission erklärte, ihr sei in der Südoststeiermark die Mitwirkung an der Auszählung der Briefwahlstimmen verweigert worden.

Der Bezirkshauptmann der Südoststeiermark, Alexander Majcan, verwies darauf, dass sein Stellvertreter, der wegen eines Krankheitsfalls kurzfristig ernannt worden war, aus Zeitnot die Briefwahlstimmen mit einem Team der Verwaltung bereits bis Sonntag um Mitternacht ausgezählt hatte.

Beobachter hatten erwartet, dass einige Zeugen die Aussage verweigern, um sich nicht selbst zu belasten. Nach Informationen des Magazins Profil ermittelt nämlich das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) gegen "bekannte und unbekannte Täter" wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch und falsche Beurkundung und Beglaubigung im Amt. So sollen einige Wahlbeisitzer zwar in eidesstaatlichen Erklärungen zur FPÖ-Wahlanfechtung Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Wahlkartenstimmen bekundet haben, zuvor aber die ordnungsgemäße Auszählung per Unterschrift bestätigt haben.

Knackpunkt Briefwahl

Bei der Stichwahl für das Amt des Bundespräsidenten am 22. Mai hatte der von den Grünen unterstützte Alexander Van der Bellen einen knappen Vorsprung zu dem FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer. Von 4.472.171 gültigen Stimmen waren 2.251.517 auf Van der Bellen entfallen. Hofer hatte 2.220.654 Wähler hinter sich. Der Abstand von 30.863 Stimmen bedeutete das knappste Wahlergebnis in der österreichischen Geschichte.

Während Hofer bei der Urnenwahl vorne lag, drehte sich das Ergebnis durch die Auszählung der Briefwahlstimmen noch zugunsten Van der Bellens. Die Wahl war europaweit mit Spannung verfolgt worden, da bei einem Sieg Hofers erstmals ein Rechtspopulist an der Spitze eines EU-Staates gestanden hätte.

Der Verfassungsgerichtshof hat bis zum 7. Juli Zeit, ein Urteil zu fällen. Am 8. Juli soll der neue Bundespräsident vereidigt werden und damit dem Sozialdemokraten Heinz Fischer folgen. Fischer scheidet nach zwölf Jahren verfassungsgemäß aus dem Amt.

Sollte bis dahin keine Entscheidung der Justiz vorliegen oder eine Wiederholung der Wahl angeordnet werden, würde das dreiköpfige Präsidium des Nationalrats die Amtsgeschäfte des Staatsoberhaupts kommissarisch übernehmen. Im Fall einer erneuten Wahl rechnen Experten mit einem Termin im Frühherbst.

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