Banker hoffen auf Anlegerpanik

  22 Juni 2016    Gelesen: 476
Banker hoffen auf Anlegerpanik
Der EU-Austritt wäre für den Finanzplatz London desaströs. Banker fürchten einen Konjunktur-Crash und den Verlust Zehntausender Jobs. Sie sehen nur eine Chance, den Brexit abzuwenden.
Wenn es etwas gibt, das Chris Cummings nicht ausstehen kann, dann ist es Ohnmacht. Der Chef von Londons Finanzlobby CityUK ist es gewohnt, großen Einfluss auszuüben. Er hat den Finanzminister des Vereinten Königreichs in Sachen Regulierung beraten; er ist bei Festbanketten von Regierungsmitgliedern hofiert worden; er hat bei Banken und Versicherungen hochrangige Posten bekleidet und folgenschwere Entscheidungen gefällt.

Nun kämpft Cummings den vielleicht wichtigsten Kampf seiner Karriere, aber was er auch tut: Es nützt nichts. Am 23. Juni entscheiden die Briten, ob sie aus der EU austreten. Cummings will das unbedingt verhindern. Doch sein Verband kann noch so viel mahnen und warnen, kann noch so viele düstere Studien veröffentlichen, wie verheerend dieser Schritt wäre: Die Brexit-Befürworter können laut Umfragen weiterhin auf einen Sieg hoffen.

Das Schicksal von Londons Finanzbranche hat im Brexit-Lager, gelinde gesagt, nicht gerade oberste Priorität. Wer aus der EU austreten will, sorgt sich vor allem um steigende Einwanderungszahlen oder um die Selbstbestimmtheit des Vereinigten Königreichs. Nicht um Männer wie Chris Cummings. Dabei sind dessen Warnungen vor einem Einbruch der britischen Wirtschaft durchaus begründet.

Geheime Kampagnenspenden

Durch den Brexit dürfte der Handel zwischen Großbritannien und dem EU-Raum zurückgehen, schreiben Experten. Die Direktinvestitionen aus dem EU-Ausland dürften sinken. Zuwanderer - darunter dringend nötige Fachkräfte - hätten es schwerer, in Großbritannien zu arbeiten. All das verursacht Unsicherheit, und unsichere Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück. All das ist Gift für die Wirtschaft. Und es ist Gift für die Banken - die weniger Projekte zu finanzieren und weniger Fusionen zu managen hätten.

Londons Banker plagt noch ein weiteres Problem: Falls Großbritannien aus der EU austritt, dürften viele Geldhäuser ihren sogenannten EU-Pass verlieren. Dank diesem können sie ihre Finanzprodukte nach ganz Europa verkaufen, ohne in den anderen nicht englischsprachigen EU-Ländern extra Filialen betreiben zu müssen. Der Finanzplatz London ist gerade deshalb für amerikanische und asiatische Banken so attraktiv. Mehr als ein Drittel des europäischen Großkundengeschäfts wird über Großbritannien abgewickelt.

"Falls das Tor nach Europa zufällt, könnte der Finanzplatz London in viele kleine Teile zerbrechen", fürchtet CityUK-Chef Cummings. Tatsächlich drohen Banken wie HSBC, JP Morgan oder die Deutsche Bank mehr oder weniger offen, im Falle eines Brexits Stellen in London zu streichen und ihre Standorte im EU-Raum auszubauen. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers könnten bis Ende des Jahrzehnts gut 100.000 Jobs in Londons Finanzindustrie vernichtet werden.

Entsprechend mühen sich auch die Geldhäuser, den drohenden Brexit noch abzuwenden. Nach Angaben des TV-Senders Sky hat allein der Finanzgigant Goldman Sachs heimlich eine sechsstellige Summe für Kampagnen gespendet, die sich für einen Verbleib Großbritanniens in der EU einsetzen.

Hedgefonds-Manager hoffen auf Brexit

Im Stadtteil Mayfair ist die Stimmung anders. Hier sitzen viele Hedgefonds, Investoren, die mit Hochrisikogeschäften mal überdurchschnittliche Renditen erzielen und mal Milliarden verbrennen. Für manche dieser Draufgänger wäre der Day After Brexit kein Horrortag, sondern der Anbruch einer goldenen Ära.

Ohne die EU, frohlocken sie, gäbe es keine gedeckelten Boni für Banker mehr, keine nervtötenden Vorschriften der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsicht. Und vor allem: keine törichten Vorgaben wie die EU-Richtlinie 2011/61 über die Verwaltung alternativer Investmentfonds .


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