Der Brexit hat viele Verlierer

  24 Juni 2016    Gelesen: 514
Der Brexit hat viele Verlierer
Jetzt feiern die Brexit-Anhänger in Großbritannien ihren Independence Day. Doch schnell wird ihr Triumphgeheul verhallen. Denn die wirtschaftliche Krise kommt gewiss. Auch Europa ist betroffen – und muss schon bei Verhandlungen eine altbewährte Regel beachten.
Nun gehen sie also doch. Die Briten werden die EU verlassen, die großen Wettbüros haben sich geirrt. Gewiss, ein Brexit ist nicht das Ende des Bündnisses oder gar der "Anfang der Zerstörung der westlichen Zivilisation", wie es EU-Ratspräsident Donald Tusk in großen Worten prophezeit hat. Aber es ist ein verheerendes Signal an Europa und vor allem ein Problem für die Briten.

Denn in Großbritannien wird aller Wahrscheinlichkeit nach eintreffen, was fast alle Finanzinstitute vorhergesagt haben: Das Land steht vor Jahren der Instabilität und der Rezession. Das wird sowohl die europäische, als auch – und das vor allem – die britische Wirtschaft hart treffen. Schon jetzt bricht das Pfund dramatisch ein, und das ist nur der Anfang.

Wie scheidet man voneinander?

Da völlig unklar ist, wie in den nächsten Jahren die Scheidungsverhandlungen mit der EU laufen und ob das Land weiter im Binnenmarkt bleibt, wird es eine jahrelange Hängepartie geben, die Gift ist für die Wirtschaft. Viele ausländische Unternehmen werden das nicht mitmachen wollen. Sie haben bereits angekündigt, sich bei einem Brexit zurückzuziehen oder zumindest ihre Investitionen zurückzufahren. Besonders die Finanzmetropole London dürfte dies hart treffen. Allein Anwälte könnten von einem Brexit profitieren.

Dabei steht Großbritannien wohl nicht nur vor einer Wirtschafts-, sondern auch vor einer Regierungskrise. Premierminister David Cameron hatte zwar angekündigt, auch nach einem Brexit im Amt bleiben zu wollen, um die Verhandlungen zu führen. Doch wie überzeugend ist das, wenn ausgerechnet das Gesicht der "Remain"-Kampagne die künftigen Modalitäten mit der EU aushandeln muss? Nun hat er seinen Rücktritt angekündigt, bis maximal Oktober will er im Amt bleiben.

Vermutlich ist dies die Stunde des ehemaligen Londoner Bürgermeister Boris Johnson, der mit Chuzpe und falschen Zahlen für den Brexit geworben hat und seinen konservativen Parteifreund Cameron im Amt beerben will. Für die regierenden Tories wird das jedenfalls eine weitere harte Zerreißprobe, dabei sind sie schon nach der monatelangen, giftig geführten Brexit-Kampagne heillos zerstritten.

London war auch eine Belastung

In den nächsten Wochen und Monaten dürften die Anhänger des Brexits von der Realität eingeholt werden. Das Zweckbündnis aus Globalisierungsgegnern, sozial Abgehängten, Konservativen und Nationalisten – notdürftig vereint im Kampf gegen den gemeinsamen Gegner – wird sich kaum auf eine gemeinsame Haltung gegenüber der EU einigen können. Spätestens wenn die Verhandlungen konkret werden sollten, werden die Grabenkämpfe aufbrechen, die Jubelstimmung über die angeblich wiedererlangte Kontrolle verflogen sein.

Die Verhandlungen werden dann die Nagelprobe für die EU. Die 27 übrigen Staaten der Gemeinschaft verlieren mit Großbritannien, das zwar mit seinen ständigen Sonderwünschen auch bisweilen eine echte Belastung war, einen außen- und wirtschaftspolitisch wichtigen Partner. Doch selbst wenn Europa ein Interesse daran hat, dass das Land nicht zu sehr abstürzt, muss es bei den Scheidungsverhandlungen hart bleiben. Es sollte die alte Regel gelten, die eine Kolumnist im Königreich sehr britisch ausgedrückt hat: "Kein Sex mit dem Ex."

Denn sonst würden sich die Brexit-Anhänger in Großbritannien in ihrem Kurs, der zum großen Teil auf falschen Behauptungen und fremdenfeindlichen Parolen basierte, bestärkt fühlen. Zum anderen könnten sich auch EU-Gegner in Europa ermutigt fühlen, aus der Union auszutreten, um dann womöglich neue, bessere Konditionen zu erstreiten. Nach dem Brexit ein Frexit, Nexit, Denexit mit Sonderregeln für jeden? Will die EU auch in Zukunft Gewicht haben, kann sie es nicht so weit kommen lassen. Abgesehen davon, dass Aus- und Sonderverhandlungen viel Geld kosten und die Union weiter lähmen würden.

Eine weitere Schwächung der EU würde keinem Staat in Europa langfristig dienen. Nur einer würde sich vermutlich freuen, der schon länger auf dieses Ziel hinarbeitet: Russlands Präsident Wladimir Putin.

Quelle: n-tv.de

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