Forscher lösen das Migräne-Rätsel

  28 Juni 2016    Gelesen: 900
Forscher lösen das Migräne-Rätsel
Die Augen reagieren überempfindlich auf Reize. Man ist todmüde, jede Bewegung verstärkt die Schmerzen. Jeder siebte Erwachsene kennt diese Migräne-Zustände. Doch wie entstehen sie?

Nein, es sind nicht "nur Kopfschmerzen". Es fühlt sich erstens nicht so an, als habe man am Abend zuvor ein paar Glas Wein zu viel getrunken. Und zweitens ist Migräne eine Krankheit, die sich leider nicht auf ein Pochen hinter den Schläfen beschränkt.

Magen und Darm rebellieren, Ohren und Augen reagieren überempfindlich auf Reize. Man ist todmüde, jede Bewegung verstärkt Schmerzen und Übelkeit. Jeder siebte Erwachsene kennt diese Zustände. Und den Spott der anderen. Ach, mal wieder Migräne, und da hilft wieder nichts? Schon klar.

Was ist denn da los in deinem Kopf? Das ist eine der netteren Fragen – auf die es nun endlich eine wissenschaftliche Antwort geben könnte. Forscher aus zwölf Ländern haben zahlreiche "genetische Schlüssel" für die Migräne gefunden.

Die genetischen Schlüssel verraten nicht nur, ob ein Mensch die Neigung zu Migräne in sich trägt. Sie liefern auch neue Erkenntnisse darüber, was Migräne eigentlich ist und wie eine Attacke abläuft.

Es gab schon viele Theorien und Modelle, mit denen Ärzte versucht haben zu erklären, was bei einem Migräneanfall passiert. Derzeit glauben die meisten, dass es sich um eine neurogene Entzündung im Gehirn handelt: Die Nerven von Migränepatienten reagieren besonders sensibel auf Reize und verbrauchen dabei viel Energie. Wenn die Energie aufgebraucht ist oder zu viele Reize auf das System einprasseln, senden die Nerven Botenstoffe aus, auf die wiederum die Gefäße im Gehirn mit Entzündungssymptomen reagieren.

Ein Meilenstein für das Verständnis der Migräne

Die Forscher, die sich im Internationalen Kopfschmerz-Genetik-Konsortium zusammengeschlossen haben, wollten es genauer wissen. Sie haben die genetischen Muster von 375.000 Menschen aus Europa, den USA und Australien untersucht, darunter die von 60.000 Schmerzgeplagten, die regelmäßig an Migräne leiden. Die meisten der Daten stammten aus 22 früheren Migränestudien.

Die Forscher fanden 44 Stellen auf insgesamt 38 Genen, die bei der Entstehung der Krankheit eine Rolle spielen. Dass die Neigung zu Migräneanfällen erblich ist, weiß man seit Langem. Aber bisher waren nur zehn Migränegene bekannt.

Vor allem aber fanden die Forscher endlich eine Antwort auf die Frage, warum die Blutgefäße im Gehirn von Migränepatienten so sensibel auf Reizüberflutung und Energiemangel reagieren. "Die Daten der Studie belegen erstmals, dass die Reaktion der Gefäße im Gehirn entscheidend für den Ablauf der Attacken ist", sagt Hartmut Göbel von der Schmerzklinik Kiel. Göbel ist einer der wichtigsten Migräneforscher in Deutschland und hat an der internationalen Studie mitgearbeitet.

Migränepatienten leiden unter einer Störung der Blutversorgung im Gehirn. Sie haben besonders anfällige Arterien, wenn man so will. Die glatte Muskulatur in ihren Gefäßwänden reagiert anders als bei Gesunden. Dafür können die Migränepatienten nichts, die Anfälligkeit ist genetisch bestimmt.

Aus anderen Studien weiß man inzwischen, dass Migränepatienten ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle und Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. Das passt zu der neuen Erkenntnis von der Störung des Blutkreislaufs.

Die neue Studie ist ein Meilenstein für das Verständnis der Migräne, sagt Hartmut Göbel. Je besser man eine Krankheit versteht, desto besser kann man gegen sie ankämpfen. Die Weltgesundheitsorganisation führt eine Rangliste der Krankheiten, die Menschen weltweit am stärksten in ihrem Alltag behindern. Migräne liegt auf Platz sieben. Von wegen, "nur Kopfschmerzen".

Quelle: n24.de


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