Es gibt wenig andere Delikte, die die Gefühlswelt mehr berühren: Für Opfer von Wohnraumeinbrüchen ändert sich nach der Tat alles. Auch bei Einbrüchen in Geschäftslokale ist vieles für die Betroffenen anschließend nicht mehr so, wie es war. In einer Umfrage des Instituts GfK für die Helvetia-Versicherung gab mehr als jeder zweite Befragte an, Opfer eines Einbruchs zu werden sei die größte Sorge im Zusammenhang mit dem eigenen Wohnraum. Feuer, Hochwasser und andere Katastrophen folgten weit dahinter. Doch wie viel Furcht ist in Österreich gerechtfertigt?
Die vermutlich einzig ehrliche Antwort müsste so lauten: Das kommt ganz darauf an. Das aktuelle Lagebild hat nämlich viele Facetten.
Eine von ihnen zeichnet der Wiener Gastronom Klaus Piber. Der 51-Jährige mit Auslandserfahrung – eines seiner derzeit vier Restaurants betreibt er in den USA – gehört ganz bestimmt nicht zu jener Bevölkerungsgruppe, die unablässig über einen angeblich versagenden Staat und „die Ausländer“ als Ursache für fast alle Probleme schimpft. Man müsse jedoch, davon ist er überzeugt, die Probleme offen ansprechen. „In den USA, wo ich auch lang gelebt habe, tut man das.“ Wichtig ist ihm das deshalb, weil er in einem seiner Restaurants, dem Mercato am Stubenring, während der vergangenen zwölf Monate vier Mal Opfer von Einbrechern wurde, in all den Jahren vorher jedoch nie. In einem Fall waren sich die Diebe ihrer Sache so sicher, dass sie sich – trotz Videoüberwachung – drei Stunden Zeit ließen, um den mit den Wochenendeinnahmen prall gefüllten Bargeldtresor mit einer Trennscheibe zu öffnen. Dabei richteten sie in ihrer Zerstörungswut zusätzlich einen Sachschaden in der Höhe von über 8000 Euro an.
Natürlich kann Piber nicht mit Sicherheit sagen, ob die bis heute unbekannten Täter aus dem Ausland kamen. Wie auch, in Wien werden nur acht von 100 Einbrüchen durch die Polizei aufgeklärt. Weit daneben liegen dürfte der Unternehmer mit seiner Vermutung jedoch auch nicht. Auf Grundlage aufgeklärter Fälle weiß man nämlich: 2015 waren in Wien von 701 identifizierten Tatverdächtigen 612 Fremde. Das entspricht einem Anteil von 87,3 Prozent. Der Wert für ganz Österreich liegt mit 78,5 Prozent auf geringfügig niedrigerem Niveau. Piber, das Vielfachopfer, sagt: „So darf das nicht weitergehen.“
Die Lage war schon schlechter
Interessant ist, dass sich von Einbrüchen schwer belastete Opfer derzeit mit einem Lagebild konfrontiert sehen, das ihre eigene Realität nur unzureichend abbildet. Die Zahl von Einbrüchen in Wohnungen und Häuser sank im Vorjahr um 9,3 Prozent auf 15.516 angezeigte Taten. In Gastronomiebetriebe stiegen Kriminelle 3517 Mal ein (– 8,7 Prozent), Firmen und Geschäfte waren 11.749 Mal Tatort (– 13,1 Prozent). Ganz allgemein lässt sich sagen, dass die Situation im Land schon einmal erheblich schlechter war. Zum Beispiel 2009. Einbrüche in Geschäfte wurden damals mehr als doppelt so oft registriert (25.832), auch Wohnraum wurde deutlich öfter heimgesucht (21.165 Anzeigen, also um etwa ein Drittel mehr als heute). Was ist da passiert?
Kurz und knapp: Die Polizei ist besser geworden. Die schlimmen Jahre 2007, 2008 und 2009 setzten Bundesregierung und Spitzenbeamte in der Öffentlichkeit derart unter Druck, dass sie nach Lösungen suchen mussten. Hinter dem öffentlich verbreiteten Schlagwort „Masterplan zur Bekämpfung der Einbruchskriminalität“ steckten Maßnahmen, die heute zu großen Teilen in den Regelbetrieb übergegangen sind. „Ein Schwerpunkt ist seit damals die Opfernachbetreuung“, sagt Gerhard Lang, Abteilungsleiter für Kriminalstrategie im Bundeskriminalamt. Das bedeutet, dass Betroffene verpflichtend darüber aufgeklärt werden müssen, mit welchen Maßnahmen sie einen Folgeeinbruch am ehesten verhindern. Eine hohe Anzahl von Opfern, das weiß man aus Beobachtungen, wird nämlich binnen kurzer Zeit mit derselben Masche erneut bestohlen. Oft sind es Kleinigkeiten wie das Schließen gekippter Fenster oder der Einbau zusätzlicher Sperrvorrichtungen, die den Unterschied ausmachen. Mittelfristig hat sich die Maßnahme als einfach, aber äußerst effizient erwiesen, denn: In inzwischen 40 von 100 Fällen scheitern Einbrecher und ziehen entnervt zum nächsten Objekt weiter. Vor zehn Jahren lag dieser Anteil unter 30 Prozent.
Weiters begann die Polizei damit, sich über Spuren, Tathergänge und Beutestücke mit dem Ausland, insbesondere den Herkunftsländern der Banden, auszutauschen. Das Wissen über die Raubzüge unbekannter Täter landete in Datenbanken, mit deren Hilfe man das Wirken der Organisationen über halb Europa zuordnen konnte. Bis sie anfingen, Fehler zu begehen und festgenommen wurden. Auch die Einrichtung von Sonderkommissionen wie der Soko-Ost und der Soko-Kfz erhöhten den Druck auf Banden, deren Mitglieder für einige Wochen zur „Arbeit“ nach Österreich kamen, in Hotels wohnten, und anschließend zum Heimaturlaub wieder verschwanden.
Die Banden weichen aus
Eine bemerkenswerte Entdeckung von damals hat heute noch Gültigkeit: „Wir konnten nahezu in Echtzeit verfolgen, wie die Kriminalität hierzulande durch den Fahndungsdruck zurückging, und im benachbarten Ausland im gleichen Ausmaß stieg“, erinnert sich Lang. Die Zielländer der Banden funktionieren für sie wie kommunizierende Gefäße. Ein Phänomen, das derzeit Deutschland wieder stark zu spüren bekommt: Dort leidet die Bevölkerung gerade jetzt unter einem massiven Anstieg der Einbruchskriminalität.
Quelle: diepresse.com
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