Die Stunde der Präsidentin

  02 Juli 2016    Gelesen: 695
Die Stunde der Präsidentin
Das Nationalratspräsidium übernimmt die Aufgaben des Bundespräsidenten. Norbert Hofer sieht keine Unvereinbarkeiten und will sich nicht karenzieren lassen.
„Das ist eine einzigartige Situation, vor der wir jetzt stehen.“ Nationalratspräsidentin Doris Bures tritt Freitagmittag, kurz nach der Verkündung des Verfassungsgerichtshofs, flankiert von ihren beiden Stellvertretern, vor die Öffentlichkeit. Von der Aufhebung der Bundespräsidentenwahl ist sie persönlich betroffen. Denn die Amtszeit von Heinz Fischer ist unwiderruflich am 8. Juli zu Ende. Und dann übernimmt laut Verfassung das Präsidium des Nationalrats dessen Aufgaben.

Einen Teil davon zumindest. Es geht weniger um die Repräsentationsaufgaben des Präsidenten, auch Staatsbesuche sollen in dieser Phase keine stattfinden. Wohl aber müssen die zwingend erforderlichen Amts- und Rechtsgeschäfte des Präsidenten weitergeführt werden. Das gilt etwa für Gesetze, die im Parlament beschlossen werden: Der Bundespräsident beurkundet, dass diese rechtmäßig zustande gekommen sind. In den kommenden Monaten werden die Gesetze vom Parlament an die Präsidentschaftskanzlei geschickt und von dort wieder zurück ans Nationalratspräsidium, wo alle drei Präsidenten ihre Unterschriften leisten. Bei Uneinigkeit gilt die Stimmenmehrheit. Der Ersten Präsidentin kommt eine Schlüsselrolle zu: Sie repräsentiert nach außen. Und bei Stimmengleichheit (wenn einer der beiden Stellvertreter abwesend ist) entscheidet ihre Stimme.

Appell an die Besonnenheit

Glücklich mit der Situation scheint Bures nicht zu sein. Aber: „Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs ist in jedem Fall zu akzeptieren.“ Ihr Appell: In den kommenden Wochen solle besonnen an die Sache herangegangen werden. „Unsere Demokratie lebt vom Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit.“ Sie warnte davor, dieses Vertrauen aufs Spiel zu setzen.

Mit im Präsidententeam ist neben Karlheinz Kopf (ÖVP) auch Norbert Hofer als Dritter Präsident. Und er spielt bekanntlich in den kommenden Monaten als Kandidat bei der Stichwahlwiederholung eine Schlüsselrolle. Unvereinbarkeiten durch diese Doppelrolle sieht Hofer keine. Er will sich während des Wahlkampfs auch nicht karenzieren lassen. Das wäre ein „Riesenfehler“, sagt Hofer. Schließlich sei doch die Erfahrung, die er mitbringe, ein Vorteil.

Hofer verwies auf die „kollegiale Zusammenarbeit“ mit Bures und Kopf in der Vergangenheit, bei der das Amt objektiv ausgeübt worden sei und alle Parteien mit Respekt behandelt worden seien. Und er will beweisen, dass er auch in dieser Phase jetzt in seiner Funktion überparteilich agieren werde. Schließlich sei er ja schon in den bisherigen Wahlgängen gleichzeitig Kandidat und Dritter Nationalratspräsident gewesen. Mit eine Aufgabe der Nationalratspräsidenten sei es, rasch die Wiederholung der Wahl zu ermöglichen. Bereits nächste Woche könne der Hauptausschuss zusammentreten, um einen neuen Wahltermin festzulegen.

Vorbilder für Bures

Neuland ist die Übernahme der Aufgaben des Staatsoberhaupts durch die Nationalratspräsidenten, die seit den 1970er-Jahren entsprechend geregelt ist, übrigens nicht. Durch die schwere Erkrankung und den späteren Tod von Franz Jonas im Jahr 1974 musste das Nationalratspräsidium die Agenden des Staatsoberhaupts drei Monate wahrnehmen. Auch nach dem Tod von Thomas Klestil mussten – damals allerdings nur für wenige Stunden – die Nationalratspräsidenten übernehmen, bis Heinz Fischer sein Amt antrat.

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