Der britische Finanzminister George Osborne hat sich bereits für den Rosenkrieg in Stellung gebracht. Osborne will Großbritannien nun zum Steuerparadies für multinationale Konzerne machen, um zu verhindern, dass sie nach dem Brexit abwandern. Die Unternehmenssteuer will er um fünf Prozent auf dann unter 15 Prozent senken – auf ein ähnliches Niveau wie Albanien, Georgien oder Litauen. Die Niedrigsteuern sollen Firmen aus aller Welt auf die Insel locken. Alles Gerede über mehr Steuerehrlichkeit von Multis wie Google, Starbucks oder Microsoft scheint damit passé.
Die OECD warnt in einem internen Memo bereits, Großbritannien drohe sich bei weiteren Schritten in diese Richtung in eine "Steuerparadies-Wirtschaft zu verwandeln". Auch bei den EU-Finanzministern dürfte der Plan für versteinerte Mienen sorgen. Paris, Berlin und Brüssel versuchen selbst unverhohlen, den Briten Jobs und Firmen abzuluchsen.
Werbepost aus Berlin und Paris
Die Berliner Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer hat gleich am ersten Tag nach dem Brexit-Votum angefangen, Werbebriefe an britische Firmen zu schreiben. Mehr als ein Dutzend wurden schon verschickt, rund 100 sollen noch folgen. Yzer will vor allem Unternehmen in die deutsche Hauptstadt locken, die bereits eine Verbindung nach Berlin haben.
Auch um den zukünftigen Standort der Börse wird gekämpft. Seit Jahren schon werkeln die Deutsche Börse und die London Stock Exchange (LSE) eigentlich an ihrer Fusion. Doch die Brexit-Entscheidung macht den Plänen einen Strich durch die Rechnung. "Es ist schwer vorstellbar, dass der wichtigste Börsenplatz im Euroraum von einem Standort außerhalb der EU gesteuert wird", sagt der Präsident der Finanzaufsicht Bafin, Felix Hufeld. Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon stößt ins gleiche Horn: "Ein Hauptsitz außerhalb der Eurozone war schon bisher schwer zu begründen, außerhalb der EU halte ich eine gemeinsame europäische Börse für nicht vermittelbar".
Frankreich wiederum will vor allem britische Banken nach Paris holen. Die Franzosen haben schon zwei Wochen vor dem Brexit eine Charmeoffensive gestartet. Der Wirtschaftsverband Paris-Europlace lockt Londoner Banker seitdem mit dem Slogan "Welcome to Europe". "Wir werden den britischen Banken den roten Teppich ausrollen", soll Jean-Louis Missika, ein Vizebürgermeister von Paris, laut "Financial Times" für den Brexit-Fall angekündigt haben.
Selbst Bayern will mitmischen
Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron warnte schon im März vor den Folgen für die britischen Banken. Sobald die Beziehungen zur EU gekappt seien, würden sie ihr Recht verlieren, in der EU Geschäfte zu machen. "Ich denke wir werden einige Umzüge aus der Londoner City sehen". Gehen die Banken, könnten ihnen auch viele andere Firmen in angrenzenden Branchen folgen. Anwälte, Berater, Steuerexperten, Wirtschaftsprüfer - insgesamt geht es um zehntausende hochqualifizierte Jobs.
Selbst innerhalb der EU ist der Verteilungskampf ausgebrochen - um die britischen Posten und Behörden, die nach dem Brexit-Votum neu verteilt werden müssen. Spanien würde die Londoner EU-Institutionen gern übernehmen. Madrid hat ein Auge auf die Europäische Bankaufsicht (EBA) und die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) geworfen. "Beide sind für Spanien von großem Interesse und wir werden daran arbeiten, dass mindestens eine von beiden auf spanischem Boden beheimatet wird", sagte die stellvertretende spanische Ministerpräsidentin Soraya Saénz de Santamaria.
Als Favoriten für die Bankenaufsicht galten wegen ihrer Nähe zu den Finanzmärkten eigentlich Paris und Frankfurt. Doch laut "Spiegel" will die Bundesregierung Frankfurt nicht vorschlagen, weil der Standort ohnehin keine Chance hätte. Es könne kein Ort zum Zug kommen, der bereits bedacht wurde. Auch Italien hat laut dem Magazin keine Chance, weil ein Italiener bereits EBA-Chef ist. Vielleicht klappt es aber doch mit dem Umzug der EBA nach Deutschland. Laut "Süddeutscher Zeitung" will nun der bayrische Finanzminister Markus Söder seinen Hut in den Ring werfen. Er will die Europäische Bankaufsicht nach München holen.
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