Der damalige Premierminister Gordon Brown sagte im Jahr 2009 vor den Unterhausabgeordneten, die Irak-Kommission werde noch im Sommer desselben Jahres die Arbeit aufnehmen. Wegen der Komplexität der Materie werde der Abschlussbericht aber erst in einem Jahr vorliegen - also 2010. Daraus wurde nichts. Erst sieben Jahre später erblickt der Bericht das Licht der Öffentlichkeit.
Labour-Premier Brown stand 2009, am Ende des Irak-Kriegs, unter Druck: Der Feldzug galt in Großbritannien inzwischen als schwerer Fehler, Browns Vorgänger Tony Blair hatte darüber sein Amt verloren. Der erfahrene Diplomat Sir John Chilcot übernahm den Vorsitz der neuen Kommission.
Klären, was tatsächlich passiert ist
"Die Irak-Kommission wurde gebildet, um die Lektionen, die aus dem Engagement Großbritanniens im Irak gelernt werden sollten, zu identifizieren und um zukünftigen Regierungen in ähnlichen Situationen zu helfen", sagte Chilcot. Es müsse geklärt werden, was tatsächlich passiert sei. "Wir werden dazu die entsprechenden Akten studieren und die befragen, die an den Entscheidungen beteiligt waren. Danach werden wir dann sagen, was schlecht und was gut gelaufen ist, und vor allem, warum", so Chilcot.
Verstoß gegen das Völkerrecht?
In den Anhörungen wurde unter anderem deutlich, dass die Top-Juristen in der britischen Regierung - darunter der Generalstaatsanwalt - vor einem Eingreifen ohne UN-Mandat warnten und darin einen Verstoß gegen das Völkerrecht sahen. Der Premierminister und der damalige Außenminister Jack Straw, das zeigten die Befragungen, setzten sich über alle Warnungen hinweg.
Blair verteidigt heute noch seine Entscheidung, 2003 an der Seite der Amerikaner in den Krieg zu ziehen. Zugleich entschuldigte er sich "für die Tatsache, dass die Geheimdiensterkenntnisse, die wir über Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen erhielten, in dieser Form falsch waren". Er entschuldige sich auch "für Fehler in der Planung des Feldzugs. Und auch für die Fehler in der Einschätzung dessen, was im Irak passiert, wenn Hussein abgesetzt ist. Aber ich entschuldige mich nicht dafür, dass wir ihn gestürzt haben." Auch aus heutiger Sicht sei es besser, dass Hussein weg sei, als dass er noch da wäre.
Fehler im Krieg und beim Aufbau des Irak
Der Bericht beschäftigt sich nicht nur mit dem Eintritt Großbritanniens in den Irak-Krieg, mit der Frage, ob Regierung und Geheimdienste damals - mit der Warnung vor tatsächlich nicht vorhandenen Massenvernichtungswaffen des irakischen Diktators - Parlament und Öffentlichkeit belogen haben. Es geht auch um die Fehler der Briten im Krieg und beim Aufbau eines neuen Irak.
Der Entwurf des Berichts war lange fertig, wurde an die Beteiligten verschickt, die noch einmal Stellung nehmen sollten, sich aber damit viel Zeit ließen. Und irgendwie fanden die Politiker auch lange keinen passenden Zeitpunkt für die Veröffentlichung - entweder standen gerade Wahlen an oder zuletzt das EU-Referendum.
"Tony Blair ist ein Kriegsverbrecher"
Die lange Wartezeit machte die Hinterbliebenen der im Irak gefallenen britischen Soldaten immer wütender. Sie klagten sogar auf baldige Veröffentlichung des Chilcot-Berichts. Der Sprecher der Hinterbliebenen-Initiative Reg Keys, der einen Sohn im Irak verloren hat, sagte: "Ich möchte, dass Tony Blair in Handschellen vor ein Strafgericht gestellt wird. Er ist ein Kriegsverbrecher." Fast 180 britische Soldaten seien getötet worden, mehr als 3500 verwundet. Zwei Millionen Iraker seien aus dem Land geflohen, mehr als Hunderttausend unschuldige Iraker ums Leben gekommen.
Auf jeden Fall bekommen jetzt alle viel zu lesen: Der Bericht besteht aus 13 Bänden, mehr als 2,5 Millionen Wörtern - und ist damit vier Mal so lang wie Tolstois "Krieg und Frieden".
Quelle: tagesschau.de
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