IS-Terroristen verschachern Sexsklavinnen per WhatsApp

  07 Juli 2016    Gelesen: 821
IS-Terroristen verschachern Sexsklavinnen per WhatsApp
Sie können nicht entkommen. Ihre Fotos sind in der Datenbank, sind auf WhatsApp. Moderne Technologien machen dem IS den menschenverachtenden Handel mit Sexklavinnen möglich und verhindern die Flucht.
Die Anzeige auf einer App des im Nahen Osten populären Textnachrichtendienstes Telegram ist schockierend: Ein Mädchen wird dort mit den Worten "Jungfrau, schön, zwölf Jahre alt" angeboten. "Ihr Preis ist schon bei 12.500 Dollar, und sie wird bald verkauft sein", heißt es weiter. Für Eingeweihte ist klar: Extremisten der Terrormiliz Islamischer Staat benutzen Smartphone-Apps, um gefangen gehaltene Frauen und Mädchen als Sexsklavinnen unter sich zu verkaufen

Der in Arabisch gehaltene Text erschien in einer verschlüsselten Unterhaltung zwischen Werbung für Kätzchen, Waffen und Kampfanzüge. Ein Aktivist der religiösen Minderheit der Jesiden im Irak, dessen Frauen und Kinder von der Terrormiliz verschleppt wurden und als Sexsklavinnen dienen müssen, teilte ihn mit der Nachrichtenagentur AP. Reporter konnten in Echtzeit das Geschachere der radikalislamischen Kämpfer um den Kaufpreis für gefangene Mädchen und Frauen mitverfolgen – in einer bizarre Mischung aus alten barbarischen Praktiken und modernster Technologie.

Auf einer anderen Anzeige in WhatsApp wird eine Mutter mit einer dreijährigen Tochter und einem sieben Monate alten Baby für 3700 Dollar feilgeboten. "Sie will, dass ihr Eigentümer sie verkauft", heißt es da.

Jede Sklavin wird in die Datenbank eingepflegt

Die Terrormiliz hatte im August 2014 während ihres blitzartigen Vormarsches im Irak um die Stadt Sindschar im Norden des Landes Tausende Mädchen und Frauen dieser Religionsgemeinschaft gefangen genommen und viele der Männer aus Hass auf ihren Glauben getötet. Seitdem konnten arabische und kurdische Schmuggler pro Monat etwa 134 Menschen freibekommen. Geschätzte 3000 Jesidinnen sollen sich aber noch in der Gewalt der Extremisten befinden.

Doch seit der IS im Mai seine Kontrollen über die Mädchen und Frauen verschärft hat, reduzierte sich die Zahl der Befreiten in den vergangenen sechs Wochen nach Daten der kurdischen Regionalregierung im Irak auf nur noch 39.

Während die Terrormiliz in ihrem selbst ernannten Kalifat in Syrien und dem Irak militärisch unter größeren Druck geraten ist und bereits Gebiete verloren hat, ersinnt sie neue Methoden, wie die verbliebenen Gefangenen an der Flucht gehindert werden können. Aktivisten zufolge schufen sie eine Datenbasis mit Fotos aller gefangenen Frauen und den Namen ihrer "Eigentümer", um eine Flucht durch die Kontrollposten des IS zu verhindern. Zugleich bringen sie Schmuggler um, die gegen Bezahlung bei der Flucht helfen.

WhatsApp dient als Marktplatz für die Mädchen

Mirza Danai, der Gründer der deutsch-irakischen Hilfsorganisation Luftbrücke Irak, sagt, dass eine Flucht in den vergangenen zwei bis drei Monaten schwieriger und gefährlicher geworden sei. "Sie registrieren jede Sklavin, jede Person unter ihrem Besitzer", sagt er. "Wenn sie also flieht, weiß jeder IS-Kontrollposten und jede Sicherheitskraft, dass sie ihrem Besitzer entkommen ist."

Die AP konnte 48 solcher Fotos von gefangenen Frauen und Mädchen einsehen, die eine Geflohene aus einem vom IS kontrollierten Gebiet herausschmuggeln konnte. Darauf sind viele der Mädchen und Frauen prachtvoll gekleidet und zum Teil stark geschminkt. Alle stehen vor großen Sesseln oder brokatbestickten Vorhängen in einem Raum, der einem heruntergekommenen Tanzsaal eines Hotels gleicht. Sie schauen direkt in die Kamera. Einige sind kaum älter als Schüler einer Grundschule, und niemand wirkt älter als 30.

Eine von ihnen ist Nasdar Murat, die 16 Jahre alt war, als sie vor zwei Jahren in der Gegend um Sindschar, dem Zentrum der Jesiden, entführt wurde. Der IS brachte ihren Vater und ihren Onkel bei der Einnahme des Gebiets um. In einem Zelt des Flüchtlingscamps in Chanke nahe der kurdischen Stadt Dahuk im Nordirak sitzt ihre Mutter und erzählt, die Tochter habe seitdem einmal anrufen können. Das sei vor sechs Monaten gewesen. Ihr Foto hat die Familie auf dem Handy gespeichert. Auf der Suche nach der Tochter zeigt sie es Frauen, die aus dem Kalifat fliehen konnten.

Der IS hat auch die Helfer im Visier

Die Chancen, dass Schmugglernetze Angehörige befreien können, werden immer kleiner, wissen Aktivisten. Der IS habe diese Organisationen ins Visier genommen und kämpfe um jeden Preis, Jesidinnen zu halten, sagt Andrew Slater von der gemeinnützigen Gruppe Yazda. Diese dokumentiert Verbrechen gegen die religiöse Minderheit und bietet Geflohenen Unterschlupf. Selbst wenn der IS sich aus Städten wie Ramadi oder Falludscha zurückzieht, bleiben vermisste Mädchen und Frauen meist verschwunden, wie Aktivisten berichten.

Die kurdische Regionalregierung im Norden des Iraks hat bisher Familien unterstützt, die bis zu 15.000 Dollar zahlten, um Familienangehörige freizubekommen. Doch jetzt ist das Geld ausgegangen – unter anderem wegen des eingebrochen Ölpreises und den Folgen des Kampfes gegen den IS.

Lamija musste beim Bauen von Bomben helfen

Die 18-jährige Lamija wurde im Sommer 2014 aus dem Dorf Kocho nahe Sindschar entführt. Ihre Eltern, so vermutet sie, sind tot, ihre neunjährige Schwester Majada noch in Händen des IS. Fünf weitere Schwestern konnten entkommen und sind nun in Deutschland. Ein jüngerer Bruder musste monatelang in einem IS-Trainingslager in Mossul ausharren, dann gelang auch ihm die Flucht.

In monotonen Worten beschreibt sie, wie sie von einem IS-Kämpfer zum nächsten weitergereicht oder verkauft wurde. Alle hätten sie geschlagen und vergewaltigt. Sie lebte in Rakka, Mossul und Hawidscha. Einer ihrer "Besitzer" habe Bomben für den IS gebaut und sie gezwungen, ihm beim Herstellen von Sprengstoffwesten und Autobomben zu helfen. Ein anderer IS-Kämpfer sei Chefarzt im örtlichen Krankenhaus gewesen.

Nach mehr als einem Jahr habe sie heimlich ihre Verwandten kontaktieren können. Diese zahlten örtlichen Schmugglern 800 Dollar, um sie freizubekommen. Nun wartet Lamija darauf, mit ihren Geschwistern in Deutschland vereint zu werden – aber ihr Herz hängt am Irak. "Wir hatten ein schönes Haus und einen großen Hof. (…) Ich ging zur Schule", sagt sie. "Es war schön."

Quelle : welt.de

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