Umweltschonendes Fracking möglich

  09 Juli 2016    Gelesen: 815
Umweltschonendes Fracking möglich
Das Herauspressen von Öl und Gas aus dem Boden hat nicht viele Freunde. Zum Schutz des Grundwassers ist es hierzulande verboten worden - voreilig?
In Deutschland ist die Förderung von Erdgas und Erdöl aus aus Schiefern, Mergeln, Tonen oder Kohleflözen bestehenden Gesteinsschichten höchst umstritten. Nach langen Diskussionen hat vor einigen Wochen der Bundestag ein Gesetz verabschiedet, welches das Fracking hierzulande stark einschränkt. So ist es fortan verboten, unkonventionelle Lagerstätten aufzubrechen und Kohlenwasserstoffe aus Formationen zu fördern, die nur in Tiefen von bis 3000 Metern reichen. Damit will man verhindern, dass Grundwasser und Gewässer durch Chemikalien verunreinigt werden, die man beim Fracking üblicherweise verwendet. Nun haben amerikanische Wissenschaftler allerdings gezeigt, dass man Erdgas und Erdöl aus unkonventionellen Lagerstätten durchaus umweltschonend gewinnen kann.

Obwohl weltweit ungleich mehr Kohlenwasserstoffe in Schiefer-, Ton-, Mergel- oder Kohleflözgestein gebunden sind als in allen konventionellen Lagerstätten zusammen, schenkten die Ölgesellschaften diesen Schichten jahrzehntelang keinerlei Beachtung. Der Grund: Während sich Erdöl und Erdgas vergleichsweise leicht aus den meist aus porösen Sandsteinen bestehenden klassischen Lagerstätten fördern lassen, halten die unkonventionellen Lagerstätten im wahrsten Sinne des Wortes dicht. Selbst das vor etwa 70 Jahren erfundene Fracking, in dem das Gestein durch das Einpumpen von Wasser unter hohem Druck aufgebrochen wird, half da nicht viel weiter. Das änderte sich erst durch zwei technische Entwicklungen. Nachdem man gelernt hatte, um die Ecke zu bohren, also ein ursprünglich senkrechtes Bohrloch unter Tage in die Waagerechte abzulenken, ließen sich die unkonventionellen Speichergesteine wesentlich leichter durchdríngen. Beispielsweise können nun von einem einzigen vertikalen Bohrloch mehrere horizontale Ableger durch die Lagerstätte getrieben werden. In jedem der Bohrlöcher kann an vielen Stellen gefrackt werden. Dadurch gelingt es, ein wesentlich größeres Volumen des Gesteins aufzubrechen und weitaus größere Mengen an Kohlenwasserstoffen zu fördern.

Der Trick des Um-die-Ecke-Bohrens
Außerdem hatte man bei der konventionellen Erdölförderung gelernt, dass manche Chemikalien die Fließfähigkeit von Kohlenwasserstoffen erhöhen. Dazu gehören unter anderem Stoffe, welche die Viskosität herabsetzen, aber auch Spülseifen, die die Haftung von Erdöl an Gesteinsporen verringern, sowie diverse andere Lösungsmittel. Eine umfangreiche Liste dieser Chemikalien und ihrer Wirkungsweisen haben kürzlich Martin Elsner und Kathrin Hoelzer vom Institut für Grundwasserökologie des Helmholtz-Zentrums München in Neuherberg in der Zeitschrift „Environmental Science and Technology“ veröffentlicht.

Gefährliche Entwicklung: Der sinkende Ölpreis könnte das amerikanische Wirtschaftswachstum bremsen. Hier eine Fracking-Anlage in Midland, Texas.
Erst nachdem man quasi um die Ecke bohren konnte und dem Frackingwasser Chemikalien zugab, wurde die Förderung von Kohlenwasserstoffen aus unkonventionellen Lagerstätten wirtschaftlich interessant. In einer typischen Frackbohrung werden bis zu 30.000 Kubikmeter Wasser unter hohem Druck ins Gestein gepumpt. Dem Wasser wird einfacher Sand beigemischt, denn die Sandkörner halten die beim Fracking entstehenden kleinen Risse und Klüfte unter Tage offen. Ohne diese „Stützen“ würden sie sich wegen des Gebirgsdruck schnell wieder schließen. Außerdem werden dem Wasser-Sand-Gemisch bis zu drei Volumenprozent jener Chemikalien zugefügt, die das Fließen des Öls erleichtern sowie Korrosion und Ablagerungen in den Bohrlöchern verhindern sollen. Die Art und die Menge der verwendeten Chemikalien hängen dabei einerseits von der Beschaffenheit des Gesteins, aber auch von den Erfahrungen der Bohrmannschaft ab. Ein Bohrteam mag auf dieses Geheimrezept schwören, während Kollegen auf einem anderen Bohrturm ein anderes Gemisch bevorzugen.

Flüssiges Kohlendioxid statt Chemie
Welche Chemikalien in den Vereinigten Staaten beim Fracken verwendet werden, ist lange Zeit verschwiegen worden. Das war nur möglich, weil in Amerika im Jahre 2005 speziell für das Fracking zur Öl- und Gasgewinnung alle von der Bundesregierung in Washington erlassenen Umweltschutzbestimmungen ausgesetzt wurden. Bohrfirmen können seitdem ungehindert alle möglichen chemischen Stoffe unter Tage pumpen. Eine Berichtspflicht bestand lange nicht. Trotz des umweltpolitschen Freiraums in Amerika und der dauernden Weiterentwicklung der Frackingtechnik ist die Förderung von Erdgas aus den dichten Lagerstätten keineswegs einfach. Immer wieder muss nachgefrackt werden, weil die Förderung aus den Bohrlöchern zu versiegen droht. Eine amerikanisch-französische Forschergruppe um Thomas Lee vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in der Nähe von Boston hat nun die Ursachen für die nachlassende Förderung untersucht und Lösungsmöglichkeiten modelliert. Wie Lee und seine Kollegen in der Zeitschrift „Nature Communications“ berichten, ist das Wasser das eigentliche Problem. Sobald nämlich die wenigen kleinen Poren im Speichergestein feucht werden, ändert sich das Fließverhalten von Methangas. Die Gasmoleküle werden vom nassen Gestein adsorbiert und bewegen sich im Laufe der Zeit immer langsamer, was die Fördermenge erheblich herabsetzt. Dagegen helfen auch die Frackchemikalien nur wenig.

Die MIT-Forscher haben bei der Computermodellierung herausgefunden, dass dieser Effekt nicht auftritt, wenn statt Wasser superkritisches Kohlendioxid als Frackmittel unter Tage gepumpt wird. Das Kohlendioxid in diesem besonderen fluiden Zustand lagert sich zwar auch in den Poren ab, führt aber nicht zur Adsorbtion. Erdgas kann also ohne Behinderung durch das aufgebrochene Gestein fließen. Außerdem zeigte sich, dass die CO2-Moleküle langfristig in den Gesteinsporen verbleiben. Die Nutzung von überkritischem Kohlendioxid beim Fracking würde also nicht nur den Gebrauch schädlicher Chemikalien unnötig machen. Sie könnte das Klimagas auch langfristig unter Tage entsorgen. Aber in Deutschland ist inzwischen auch diese Technik untersagt.


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