Inzwischen sagte auch Frankreichs Regierungschef Hollande, die Lkw-Attacke von Nizza mit mindestens 84 Toten habe einen eindeutig "terroristischen Charakter". Dieser könne nicht geleugnet werden, sagte der sichtlich erschütterte Präsident in der Nacht zu Freitag in einer Fernsehansprache. "Ganz Frankreich ist vom islamistischen Terrorismus bedroht." Auch der Innenminister sprach davon, dass die Polizei einen "Terroristen" ausschaltete.
Der Ort des Anschlags
Der Verdacht fiel natürlich sofort auf die einschlägigen muslimischen Terrorgruppen, die für die letzten Großanschläge in Frankreich verantwortlich waren, im vergangenen November etwa auf das Bataclan-Theater und auf verschiedene Restaurants und Cafés in Paris, als 130 Menschen starben. Und im Januar zuvor auf die Redaktion der Satirezeitung "Charlie Hebdo" und auf einen koscheren Supermarkt, bei denen 15 Zivilisten ums Leben kamen.
Noch keine Erklärung einer Terrorgruppe
In den ersten Stunden nach der Tat gab es keine Erklärung einer Terrorgruppen, aber verschiedene Hinweise. Während die offiziellen Kanäle von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zunächst stumm blieben und die eigenen Anhänger aufforderten, auf eine Verlautbarung der Gruppe zu warten, gab es sehr viel Propagandaaktivitäten in den inoffiziellen Kanälen des IS, wo Nizza gefeiert wurde, wie die arabische Journalistin Jenan Moussa auf Twitter berichtete.
Auch Rita Katz, Direktorin der Site Intelligence Group, die auf Terrorismus spezialisiert ist, stellte ein hohes Maß an Propagandaaktivität auf den IS-Kanälen im Zusammenhang mit Nizza fest.
Ein Sprecher des IS hatte in der Vergangenheit dazu aufgerufen, alle möglichen Mittel zu benutzen, um "die ungläubigen Amerikaner und Europäer – besonders die gehässigen und dreckigen Franzosen" zu töten. "Zerschmettere seinen Kopf mit einem Stein, oder schlachte ihn mit einem Messer, oder überfahre ihn mit Deinem Auto", hatte der IS-Sprecher geraten. Fred Burton, Experte des Strategie-Think-Tanks Stratfor wies jedoch darauf hin, dass auch al-Qaida im Jemen (AQAP) in einer der letzten Ausgaben ihres Propaganda-Magazins "Inspire" eine solche Taktik empfohlen hatte.
Die IS-Leute waren jedoch offenbar zumindest in den sozialen Medien die deutlich aktiveren. Ständig wurden neue Poster geschaffen, die die Anschläge in Frankreich rühmten, man rief die eigenen Anhänger auch dazu auf, denselben Hashtag (#NiceAttack) zu benutzen, unter dem die ganze Welt über Nizza twitterte, um so effektiver Angst und Schrecken zu verbreiten.
Die Radikalen nahmen dann gleich auch Berlin in deutscher Sprache ins Visier, wie Moussa berichtet. Man sollte aber vorsichtig sein, zu viel Bedeutung in solche Verlautbarungen hineinzulesen. Bisher gibt es etwa auch keinerlei Anzeichen dafür, dass das Massaker in einem Schwulenklub in Orlando IS direkt zuzuschreiben ist, obwohl die IS-Propagandajünger im Netz in ihren Drohungen gegen Berlin so tun.
Palästinensische Terroristen nutzen Autos
Man braucht auch nicht in die Propaganda-Handbücher des IS oder AQAP hinabzusteigen, um auf die Idee zu kommen, dass Autos oder Lastwagen eine effektive Waffe sein können. In Israel etwa haben palästinensische Terroristen in den letzten neun Monaten mehrfach Menschengruppen, meist in Jerusalem, mit Autos angegriffen, worauf etwa auch das Heimatschutzministerium in den USA hinwies. Zwischen Oktober vergangenen Jahres und Ende Juni diesen Jahres ist es zu 30 palästinensischen Angriffen mit Autos gegen israelische Zivilisten und teils auch gegen Soldaten gekommen
Es wäre nicht das erste Mal, dass sich islamistische Terroristen ihre Methoden bei radikalen Palästinensern abschauen. Aber man wird Ermittlungen der französischen Behörden abwarten müssen, insbesondere die Identifizierung des Täters, bevor man genaueres über den tatsächlichen Hintergrund der Tat sagen kann.
Quelle : welt.de
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