Ein einziger Schuss hat gereicht, um aus einem vermeintlich gescheiterten Spieler den Helden einer ganzen Nation zu machen. Éder schoss Portugal in der Verlängerung zum ersten EM-Titel und wusste, wem er zu danken hat. "Ich widme das Tor meiner Mental-Trainerin Susana Torres", sagte er direkt nach dem Abpfiff.
Der Stürmer arbeitet seit Längerem mit der Psychologin zusammen. Die Gespräche dürften sich weniger um Versagensängste vor dem Tor und dem Druck, vor Zehntausenden Fans zu spielen, als um seine persönliche Geschichte drehen.
Éderzito António Macedo Lopes, wie Éder mit bürgerlichem Namen heißt, wurde in der ehemaligen portugiesischen Kolonie Guinea-Bissau geboren. An die Zeit im westafrikanischen Land hat er keine Erinnerungen. Als er zwei Jahre alt war, zog seine Mutter mit ihm nach Lissabon, wo der Vater bereits lebte.
"Es gab da diesen Moment, als mein Vater zum Haus meiner Mutter kam und mich mitnahm. Ich lebte dann einige Zeit bei meinem Vater, bis er mich in ein staatliches Internat steckte", erinnerte sich Éder. Seine Eltern waren überfordert und konnten nicht für ihn sorgen, mit acht Jahren musste er die Familie verlassen. "Ich war traurig und fühlte mich verlassen", sagte Éder, für den ab da nur noch eines zählte: der Fußball.
Sein Vater ist ein verurteilter Mörder
Er lenkt ihn seitdem auch von seiner dramatischen Familiengeschichte ab. Éders Vater lernte eine neue Frau kennen und zog nach England, wo er zum Mörder wurde. Der Vater brachte seine neue Frau um und wurde zu 16 Jahren Haft verurteilt. "Mein Vater sitzt im Gefängnis, seit ich zwölf Jahre alt bin. Meine Stiefmutter starb, und er wurde verurteilt, weil er sie getötet haben soll", sagte Éder zum portugiesischen TV-Sender Tvi24.
Jahrelang konnte er seinen Vater nicht im Gefängnis besuchen. Auch sein erstes Gehalt, das er beim Zweitligaklub Tourizense erhielt, reichte nicht, um nach England zu fahren. Von den 400 Euro, die er im Monat bekam, gab er einen Großteil an seine Mutter ab. Als er 2012 seinen ersten Profivertrag bei Académica de Coimbra unterschrieb, konnte er sich endlich die Reise nach England zu seinem Vater leisten. "Immer wenn ich frei hatte, konnte ich nach England fahren, um ihn zu besuchen", sagte Éder.
Ob er ihn auch während der vier Monate, die er Anfang des Jahres für den Premier-Legue-Klub Swansea City gespielt hat, besucht hat, wollte er nicht verraten. Sein Vater hat seine Haftstrafe fast komplett verbüßt und soll noch in diesem Jahr entlassen werden.
Auf ein Familienmitglied konnte sich Éder über all die Jahre verlassen, seine Großmutter. "Ich habe mit ihm vor dem Finale gesprochen", sagte sie. Die Oma habe Éder darum gebeten, auf dem Platz ernsthaft zu bleiben und gut zu spielen: "Nach seinem Tor habe ich nur noch getanzt und getanzt."
Quelle : welt.de
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