Der Täter soll ein “ruhiger Einzelgänger“ gewesen sein

  16 Juli 2016    Gelesen: 584
Der Täter soll ein “ruhiger Einzelgänger“ gewesen sein
Der Attentäter von Nizza ist identifiziert. Es soll ein 31-jähriger Franzose tunesischer Herkunft sein, der zwar den Behörden bekannt war – aber nicht im Zusammenhang mit der Islamistenszene.
Der Attentäter von Nizza ist französischen Medienberichten zufolge identifiziert. Wie der Fernsehsender iTele und die Zeitung "Nice-Matin" berichten, handelt es sich um den 31-jährigen Mohamed Lahouaiej Bouhlel. Er soll ein Franzose tunesischer Herkunft sein, der in Nizza gewohnt hat, berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Seine Papiere seien in dem Lastwagen gefunden worden.

Laut der Tageszeitung "Le Figaro" war der Täter im März vergangenen Jahres wegen eines Gewaltverbrechens verurteilt worden. Er sei den Behörden wegen Rechtsverstößen bekannt, den Geheimdiensten im Zusammenhang mit islamistischen Aktionen aber nicht aufgefallen. Am Freitagvormittag ist seine Wohnung im Norden Nizzas durchsucht worden. Von der Nachrichtenagentur AFP befragte Nachbarn beschreiben den Mieter als "ruhigen Einzelgänger". Man habe den Mann häufig in kurzen Shorts gesehen, an religiöse Kleidung erinnert sich vor Ort niemand.

Die Zeitung "Nice-Matin" will wissen, dass der Mann den Anschlag im Vorfeld akribisch geplant hat. Der Lastwagen, mit dem das Attentat verübt wurde, sei bereits am Mittwoch in der Nähe von Nizza gemietet worden. Der Verdächtige soll als Paketbote gearbeitet haben. AFP, der Fernsehsender BFMTV und "Nice-Matin" berichten, dass er eine Zeit lang verheiratet gewesen war und drei Kinder mit seiner Ex-Frau habe.

Derzeit werde ermittelt, ob der Täter Komplizen hatte. Mehrere Personen aus seinem Umfeld seien am Freitagvormittag von der Polizei befragt worden.

Der Täter war am späten Donnerstagabend mit einem Lastwagen in eine große Menschenmenge gefahren, die auf der Promenade des Anglais in Nizza das Feuerwerk zum Nationalfeiertag bewunderte.

Nach seiner Amokfahrt soll der Mann aus dem Laster auf Menschen geschossen, dann ausgestiegen sein und weitergeschossen haben. Erst nach einer halben Stunde ist es Polizisten gelungen, ihn zu erschießen. Bei dem Anschlag wurden mindestens 84 Menschen getötet, unter ihnen mehrere Kinder. Weitere 18 Menschen wurden nach Angaben des französischen Innenministeriums lebensgefährlich verletzt, rund 50 leicht.

Lehrerin und Schülerinnen aus Berlin vermisst

Unter den Toten sind mehrere Ausländer, darunter zwei US-Bürger und ein Ukrainer. Das Auswärtige Amt in Berlin schließt nicht aus, dass auch Deutsche unter den Opfern sind. Derzeit werden zwei Schülerinnen und eine Lehrerin aus Berlin vermisst. Das sagte ein Lehrer der Paula-Fürst-Schule am Freitag am Eingang des Schulgeländes in Charlottenburg. Medienberichte, nach denen die beiden Schülerinnen und die Lehrerin tot sind, wurden weder von der Schulverwaltung noch vom Senat bestätigt.

Bisher gibt es kein Bekennerschreiben. Ob die Tat einen islamistischen Hintergrund hat, ist unklar. Es wurden keine Flaggen oder Symbole des Islamischen Staats (IS) oder einer anderen Organisation gefunden. Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter finden sich Berichte, nach denen der Täter angeblich "Allahu akbar" (Allah ist groß) gerufen haben soll. Dafür gibt es aber keine Bestätigung.

Präsident François Hollande, der noch in der Nacht eine kurze Fernsehansprache hielt, ließ keinen Zweifel daran, dass es sich um eine erneute Terrorattacke gegen Frankreich handele. Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve ist ebenfalls in der Nacht in Nizza vor die Presse getreten, machte aber keine weiteren Angaben zum Täter. Auf Nachfragen der Journalisten gab er keine Antwort und verwies auf den Staatsanwalt, der die Untersuchungen übernommen habe. Am Freitagnachmittag will die Staatsanwaltschaft in Nizza eine Pressekonferenz geben.

Augenzeugen aus Nizza berichten, der Attentäter im Lastwagen sei am Donnerstagabend gegen 22 Uhr erstmals gesichtet worden. "Er ist genau neben uns gefahren", berichtet Laicia Baroi der Zeitung "Nice-Matin". Sie wollte im Auto Richtung Promenade des Anglais fahren, um das Feuerwerk zu sehen. An der Kreuzung der Avenue Faron und der Avenue de la Californie soll der Fahrer den Laster neben ihr zum Stehen gebracht haben.

"Er fuhr seltsam. Er beschleunigte, bremste, beschleunigte wieder, bremste dann wieder. Wir fanden das sehr merkwürdig", gibt Baroi zu Protokoll. Sie will gesehen haben, wie sich der Laster dann in Richtung Flughafen bewegt habe. "Ich bin sicher, dass es derselbe Laster war und dass er dort kehrtmachte, um sich auf der Uferpromenade Richtung Innenstadt zu bewegen."

Auf Amateuraufnahmen sieht man, wie Polizisten hinter dem Laster herrennen und ihn zu stoppen versuchen. Aus Polizeikreisen hieß es zunächst, dass man Sprengstoff und Waffen im Fahrzeug gefunden habe. Inzwischen wurden diese Angaben korrigiert, es handle sich um eine "nicht funktionsfähige Granate" und Waffenattrappen.

Die Sicherheitsbehörden in Frankre ich hatten mit einer neuen Attacke gerechnet, waren zuletzt jedoch erleichtert, dass die Fußball-Europameisterschaft im Land frei von Terror geblieben war.

Die Art des Anschlags ist nicht neu

Der französische Radiojournalist David Thomson, ein ausgewiesener Kenner der Islamistenszene, weist auf Twitter darauf hin, dass ein französischer Dschihadist am selben Tag Sympathisanten in einer Videobotschaft aufgefordert habe, nicht mehr nach Syrien oder in den Irak zu reisen, sondern in Frankreich zuzuschlagen: "Zerreiß dein Flugticket in die Türkei, das Paradies steht vor dir, manipulier zwei, drei Gauner, besorg dir eine Waffe in irgendeiner Nachbarschaft."

Die Art des Anschlags ist indes nicht neu: Bereits im Dezember 2014 war ein Kleinlaster in die Menschenmenge eines Weihnachtsmarktes in Nantes gerast. Der Fahrer hatte dabei einen Menschen getötet und zehn verletzt. Wenige Tage zuvor hatte ein Autofahrer 13 Fußgänger in Dijon verletzt und dabei "Allahu akbar" gerufen.

Der Täter von Dijon hatte zahlreiche Aufenthalte in der Psychiatrie hinter sich, weshalb die Staatsanwaltschaft davon ausging, dass es sich nicht um einen Terroranschlag handelte. Fotos der Verletzten wurden allerdings von der Terrororganisation Islamischer Staat ins Internet gestellt und für Propagandazwecke missbraucht.

Quelle : welt.de

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