Daimler präsentiert “Stadtbus der Zukunft“

  19 Juli 2016    Gelesen: 404
Daimler präsentiert “Stadtbus der Zukunft“
Mit dem Bus im Stau stehen und zu spät kommen ist fast schlimmer als mit dem Auto. Mercedes hat in Amsterdam den "Stadtbus der Zukunft" präsentiert, mit dem alle Unannehmlichkeiten dieses Transports der Vergangenheit angehören sollen.
Nachdem Daimler im vergangenen Jahr mit seinen selbstfahrenden Lkws für Aufsehen sorgte und die neue E-Klasse mit etlichen Komponenten, die das teilautonome Fahren ermöglichen, ausgestattet hat, präsentiert das Unternehmen als einer der größten Buslieferanten der Welt jetzt den "Stadtbus der Zukunft" - ein teilautonom fahrendes und bis ins Mark vernetztes Transportmittel. Ort des Geschehens ist Amsterdam. Warum? Weil die niederländische Hauptstadt sich seit einigen Jahren intensiver mit der Verbesserung des innerstädtischen Verkehrs auseinandersetzt als andere Städte. Dafür wurde in den Niederlanden sogar die Gesetzgebung dahingehend verändert, dass alle öffentlichen Straßen für derartige Testzwecke geöffnet werden dürfen.

Im Moment steht aber eine Strecke im Fokus, die vom Flughafen Schiphol in den Stadtbezirk Harlem führt. Über 25 Kilometer Länge kann hier eine ganz normale Buslinie für Testzwecke genutzt werden. Die Linie 300, die pro Tag etwa 35.000 Fahrgäste transportiert, gehört zum sogenannten "Bus Rapid Transit" (BRT). Hier fahren auf hochfrequentierten Strecken Busse in kürzeren Abständen mit weniger Haltestellen bis zum Ziel. Die Idee ist allerdings nicht neu. In verschiedenen Ländern Europas gibt es sogenannte "Schnellbuslinien" bereits seit den 1950er-Jahren. Auch extra Busspuren, Ampelvorschaltungen und rechnergestützte Betriebsleitsysteme sind keine Erfindungen aus den Niederlanden.

Der "Stadtbus der Zukunft"

Neu - und hier kommt der "Stadtbus der Zukunft" ins Spiel - ist die direkte Kommunikation der Systeme mit dem Bus. Der im "Future Truck" als "Highway Pilot" vorgestellte Mechanismus, der es den Giganten ermöglicht, sich autonom über lange Strecken zu bewegen, mutiert im Mercedes-Bus der Zukunft zum "City Pilot". 14 Kameras, darunter auch zwei Stereokameras und Radarsensoren, sorgen für die Spurerkennung. Dabei wird in einem Umfeld von 10 Metern ein Nahbereich abgedeckt, die Fernbildkameras können eine Strecke bis 200 Meter ins Visier nehmen. In Kommunikation mit den Ampeln berechnet der "City Pilot" die Geschwindigkeit und garantiert so, dass es auf der Strecke an den Lichtleitsystemen keine unnötigen Verzögerungen mehr gibt. Auf der Teststrecke zwischen dem Flughafen Schiphol und Harlem befinden sich insgesamt 22 Ampeln

An insgesamt elf Haltestellen muss der Bus stoppen. Auch hier sorgt die Sensorik für ein einwandfreies Halten. Kaum zehn Zentimeter vom Bordstein entfernt kommt er zum Stehen. Das erleichtert zum einen das Ein- und Aussteigen, zum anderen verhindert es, dass Reifen an der Bordkante verschlissen werden. Die schon erwähnten Kameras und Sensoren beobachten beim Halt auch das Umfeld des Busses und übertragen Bewegungen und Bilder auf für den Fahrer gut einsehbare Monitore. Selbst ein sich verspätender Fahrgast im Laufschritt wird erkannt und in das Fahrzeug gelassen. Um den Zeitverzug auszugleichen, erfolgt nun wieder eine Berechnung zwischen Leitsystem und City Pilot.

Schneller und genauer

Die Fahrt des Busses wird über die gesamte Strecke vom GPS überwacht. Weiterhin sorgen sogenannte "Landmarken" für die Orientierung. Im Tunnel übernehmen die Kameras die Steuerung. Mercedes sagt, dass der Testbus bei seiner autonomen Fahrt über die gesamten 25 Kilometer nicht mehr als 20 Zentimeter von der vorgegebenen Strecke abweicht. "Das", so Entwicklungschef Hartmut Schick, "schafft kein Mensch". Optisch wird die teilautonome Fahrt des "Stadtbusses der Zukunft" durch ein von weiß in blau wechselndes Frontlicht angezeigt.

Aber nicht nur technisch wurde der Bus den neuen Gegebenheiten angepasst. Auch äußerlich und vor allem im Innenraum hat Mercedes deutliche Veränderungen vorgenommen. So befinden sich die Türen zum Einsteigen beispielsweise nicht mehr am Anfang und Ende des Busses, sondern nur noch in der Mitte. Das Innere ist gestaltet wie ein "Park" mit entsprechenden Bänken. Die Haltestangen gleichen Ästen von Bäumen, während die Lampen am Himmel des Busses die Form von Blättern haben. Auch die Innenraumaufteilung folgt einem neuen Prinzip: Während der Mittelbereich weit und offen gehalten wurde und vor allem Fahrgäste bedienen soll, die nur eine kurze Strecke zurücklegen und ohnehin stehen, ist der hintere Busbereich mit Bankstrecken ausgestattet, die zum Sitzen und Verweilen einladen. Selbstredend gibt es im Bus der Zukunft auch freies WLAN und ein eigenes Infotainmentsystem, das über einen riesigen Monitor die wichtigsten Fahrinformationen zur Verfügung stellt, aber durchaus auch die Preisknüller eines nahegelegenen Einkaufszentrums präsentieren kann.

Drei Bereiche

Der vordere Teil ist als Servicebereich gedacht - für Fahrgäste, die Informationen zu Haltestellen, Zeit und Strecke benötigen. Um eine bessere Kommunikation zwischen Fahrer und den Gästen zu gewährleisten, ist dessen Arbeitsbereich auch nicht mehr abgetrennt, sondern wandert dichter an das Publikum heran. Ein gewagter Schritt, denn Übergriffe auf den Fahrer können momentan auch die ausgereiftesten Leit- und Fahrsysteme nicht ausschließen. Das wäre wohl erst gegeben, wenn die vollautonome Fahrt möglich ist. Die ist nicht fern, betont Mercedes, beschwichtigt aber gleich die aufkeimende Angst von Busfahrern, sie würden dann ihren Job verlieren. "Ganz wird man auf den Fahrer nicht verzichten können", so Daimler-Nutzfahrzeugchef Thomas Bernhard. "Die Technologie ist ein großer Beitrag, um das Fahren sicherer zu machen, nicht um den Busfahrer auszubooten."

Den einen oder anderen Journalisten verwunderte bei der Präsentation, dass der Vortrieb durch herkömmliche Dieselmotoren gewährleistet wurde. Daimler verspricht aber für den Serienstart des Zukunftsbusses im Jahr 2018, dass alle verfügbaren Antriebsarten möglich sind: Elektro, Wasserstoff, Gas und Diesel. "In Zukunft wird die Technik mit allen Antriebssträngen verfügbar sein", so Schick. Bleibt die Fragen nach den Kosten. Hier hält sich Mercedes natürlich noch bedeckt. Bernhard glaubt aber fest daran, dass durch den fließenden Verkehr, einen dadurch geringeren Verbrauch, eine höhere Lebensdauer und die Nutzbarkeit der Technik aus dem Pkw-Bereich die entstehenden Mehrkosten beim Einkauf schnell gedeckelt werden können.

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