Gelb schmeckt fröhlich
Aber wie schmeckt ein einfarbiges Dinner? Verstärkt die Einfarbigkeit den Geschmack? Ein erster Probierlöffel – und siehe da, die Gäste loben die „unerwartete Wucht“: „Lecker! Visuell sehr beruhigend und harmonisch – dadurch intensiviert sich der Geschmack.“ Meine Gäste, die anspruchsvoll sind und sonst eher ins Restaurant gehen, statt zu Hause zu kochen, lassen sich tatsächlich begeistern.
Im Oktober orange, im Dezember braun
Das gelbe Dinner ist eines von zwölf monochromen Menüs, die das Berliner Autoren-Trio Tatjana Reimann, Caro Mantke und Tim Schober in seinem Kochbuch „12 Farben – 12 Menüs“ zusammengestellt hat. Mit dessen Hilfe können Hobbyköche einkaufen, was die jeweilige Jahreszeit an farbigem Obst und Gemüse hergibt. Im Oktober knalliges Orange von Kürbis, Süßkartoffeln und Orangen. Im Dezember saftiges Braun von Champignons, Nüssen und Rehbraten. Im Sommer frisches Grün von Minze, Mangold und Rucola.
Die Idee zum Kochbuch hatten die Designer nach der Lektüre von Paul Austers Roman „Leviathan“ aus dem Jahr 1992. Darin entwickelt die Figur Maria Turner den Zwang, jeden Tag ausschließlich Essen in einer einzigen Farbe zu sich zu nehmen. Die französische Konzeptkünstlerin Sophie Calle hat diese Figur später ins reale Leben übertragen und sich täglich in nur einer Farbe ernährt. Was als Spleen einer Künstlerin daherkommt, kann in der realen Küche zu ungeahnter Kreativität führen: Zusammen mit Freunden kochten die drei Autoren in der elf Quadratmeter großen Küche ihres Büros die einzelnen monochromen Dinner.
„Wir haben anders und somit auch bewusster gekocht“, sagt Reimann. Plötzlich hätten typische Zutaten wie etwa grünes Basilikum oder Gurke in einer roten Tomatensuppe gefehlt: „Also mussten wir um die Ecke denken. Für die Suppe haben wir zum Beispiel mit roter Paprika gearbeitet – sehr lecker!“ Die Gäste kleideten sich sogar in der gleichen Farbe wie das Essen. Lohn der Mühen: Ihnen eröffneten sich neue Geschmackswelten. „Gelb schmeckt fröhlicher und fruchtiger als andere Farben“, sagt Reimann.
„Geschmack kann in den Mittelpunkt rücken“
Eine Portion Farbe auf dem Teller hebt somit nicht nur die Laune beim Kochen und Essen, sie unterstützt auch den Genuss. Denn ein ganzes Gericht in nur einer Farbe schärft den Geschmackssinn. „Das Auge ist durch die Buntheit nicht mehr abgelenkt, so kann der Geschmack in den Mittelpunkt rücken“, meint Reimann. Zudem stellte sie fest, dass ein Gericht in einer einzigen knalligen Farbe imposanter wirkt und man dadurch achtsamer isst. Ausdrücklich lädt sie dazu ein, ihr Kochbuch kreativ anzuwenden und selbst auszuprobieren, welche Zutaten in der gleichen Farbe zusammenpassen könnten.
Nur eine Farbe hat es nicht ins Kochbuch geschafft: Blau. Denn Blau assoziieren wir beim Essen eher mit Gefahr. Obwohl es als Lieblingsfarbe der Deutschen gilt, bleiben blaue Kekse oder Brötchen eher liegen. Schimmel ist blau, giftige Beeren und Pilze auch. Blaubeeren, Blaukraut oder blaue Trauben sind bei genauerem Hinsehen wiederum eher violett. Bei Getränken zeigen wir da schon mehr Offenheit gegenüber der Farbe des Himmels. Sie ist nämlich auch die Farbe des Wassers, steht für Frische und Reinheit. Deshalb funktionieren blaue Getränke wie Cocktails mit Blue Curaçao. Sogar ein blaues Bier verkauft sich derzeit erfolgreich in Deutschland. Und Kinder mögen blaues Eis, weil sie experimentierfreudiger als Erwachsene sind.