Zwei Frauen, die einfach den Job machen

  21 Juli 2016    Gelesen: 666
Zwei Frauen, die einfach den Job machen
Anders als ihre Vorgänger hat sich Theresa May dazu entschieden, nicht als erstes die USA zu besuchen, sondern Deutschland. Der Grund dafür: Angela Merkel.
Bislang sahen Bilder von Treffen europäischer Regierungschefs so aus: Männer in Anzügen stehen neben Männern in Anzügen stehen neben Angela Merkel in ihren bunten Jackets. Jetzt gibt es ein neues Bild: Angela Merkel steht neben einer anderen Frau. Man muss sich das mal klarmachen, Theresa May ist erst vor einer Woche in die Downing Street 10 eingezogen. Und nun, am Mittwochabend, gibt sie zusammen mit der Bundeskanzlerin eine Pressekonferenz. Zwei Frauen vor der blauen Leinwand im ersten Stock des Bundeskanzleramts. Zwei Jackets, zwei Ketten, zwei ernste Gesichter. Ein Bild, das man so noch nie gesehen hat. Ein Anblick, der mehr politische Aussagekraft entfaltet als alle Sätze, die an diesem Abend gesagt werden.

Der Empfang am Mittwoch ist das erste Treffen zwischen den beiden Regierungschefs. Anders als ihre Vorgänger hat sich die neue Premierministerin dafür entschieden, nicht als erstes die USA zu besuchen, sondern Deutschland. Merkel ist die wichtigste Verbündete, um aus dem Brexit kein "Armageddon" (ein britischer Diplomat), sondern einen "geordneten Rückzug" (May) zu machen. Es wäre zuviel gesagt, den Umgang der beiden als herzlich zu beschreiben, dafür sind sie zu nüchtern. Aber es gibt da diese Momente, aus denen etwas sehr Seltenes aufblitzt: Verschwesterung.

"Wir haben hier zwei Frauen", sagt May, "ich würde sagen: Zwei Frauen, die einfach den Job machen." "Genau", ergänzt Merkel. Sie nicken sich zu. Die Journalisten lachen. Schon klar, dass das eine Anspielung war auf gewisse Männer, die Großbritannien in eine einzige Krisenzone verwandelt haben. Ihr Stil ist das nicht. Jetzt geht es nicht um Testosteron-Politik. Jetzt geht es um stabilisieren und moderieren.

"Ich freue mich sehr, dass Sie so früh in ihrer Amtszeit zu Besuch gekommen sind. Das sehe ich als Zeichen der Verbundenheit", sagt Merkel. "Ich möchte klarstellen, dass wir uns auch nach dem Brexit nicht von unseren europäischen Freunden abwenden werden. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen, Chancellor!", antwortet May. Höflichkeiten dieser Art sind bei solchen Empfängen üblich. Aber man kann davon ausgehen, dass beide es ernst meinten. May will den Brexit durchführen, ohne Großbritannien in eine Rezession oder in eine politische Isolation zu führen. Merkel will verhindern, dass der Austritt die Eurozone in eine neue Krise stürzt oder die politischen Gemeinschaft spaltet.

Beide haben dasselbe Interesse: Schadensbegrenzung.

Entsprechend vage bleiben sie, was ihre unterschiedlichen Positionen angeht. Wie stellen sich die Briten den Brexit vor? Und wie die Europäer? Sowohl May als auch Merkel würden davon profitieren, wenn Großbritannien seinen Zugang zum europäischen Binnenmarkt erhalten könnte – andernfalls kämen auf die Unternehmen neue Zölle und viel Bürokratie zu. Doch diesen Zugang gibt es nur im Austausch mit europäischer Freizügigkeit – und die will May im Interesse der Brexit-Wähler begrenzen. Auf die Frage, was Merkel davon halte, geht sie nicht ein: Es würde zu viel Unsicherheit verursachen, wenn sie jetzt anfingen, Szenarien zu kommentieren.

Der May-Plan ist, erst einmal Leute für ihr neu gegründetes Brexit-Ministerium zu rekrutieren, eine Strategie für die Zukunft zu entwerfen und im nächsten Jahr Artikel 50 in Gang zu setzen, der den zweijährigen Austrittsprozess einläutet. Der Merkel-Plan ist, der neuen Regierung Zeit zu geben und dann in Abstimmung mit den anderen Europäern darauf zu reagieren. Beide sprechen davon, dass sie die anstehenden Verhandlungen "konstruktiv" und "im Geiste der Verbundenheit" führen wollen. Ob das gelingen wird, ist offen.

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