Hilfe mein Kind spielt Krieg- Kann Spielzeug schaden?

  26 Juli 2016    Gelesen: 586
Hilfe mein Kind spielt Krieg- Kann Spielzeug schaden?
Ob Kinder nun Cowboy und Indianer oder "Star Wars" spielen. Im Spiel kommen Waffen zum Einsatz, bei ersterem Revolver und Pfeile, bei letzterem die Laserschwerter. Die Kinder kämpfen im Spiel gegeneinander und führen Krieg, teilweise in Form von Rollenspielen, im Spiel mit Spielzeug oder auf Spielekonsolen. Viele Eltern reagieren unsicher auf diese Form des Spiels und sorgen sich, ob diese Kriegsspiele ihrem Kind nicht schaden können.
Kriegsspiele mit Spielzeug

Diese "Kriegsspiele" hat Wegener-Spöhring (2000, S.63ff) in zwei Studien genauer untersucht und herausgefunden, dass Kinder während diesen aggressiven Spielen eine "balancierte Aggressivität" zeigen.

Aggressive und beängstigende Spielinhalte werden so balanciert, dass alle Mitspieler diese verkraften können und die aggressiven Handlungen bleiben auf einer so-tun-als-ob-Ebene, was eine komplexe soziale Leistung der Kinder darstellt und entsprechende soziale Kompetenzen verlangt.

Ein vermutlich gut gemeinter Eingriff durch Erwachsene in dieses Spiel kann diese Balance stören und zu realer Aggressivität führen, was das "Kriegsspiel" an sich jedoch nicht macht. Während Erwachsene dazu tendieren aggressives Spiel als Vorbereitung auf reale Aggression zu sehen und das Spiel mit Kriegsspielzeug zu kritisieren, kritisieren Grundschulkinder hingegen interessanterweise den Krieg an sich und nicht das Spielzeug (Wegener-Spöhring, 2000, S.59,65ff).

Mogel (2008) zitiert einen zwölfjährigen Jungen auf den Vorwurf, dass Kriegsspiele die Hemmschwelle für Gewalt senken würden: "Es gibt 37 Länder, wo es Krieg gibt, da sind nicht die Kinder dran schuld" (S.199). Und auch Wegener-Spöhring (2000, S.66) erzählt von jungen Männern die glücklich von den Kriegsspielen ihrer Kindheit erzählen und dann alle der Wehrdienst verweigern haben.

Kriegsspiele nicht grundsätzlich verbieten

Sie rät Eltern und Pädagogen, aggressive Kriegsspiele nicht grundsätzlich zu verbieten, denn Kinder lernen in diesen Spielen mit aggressiven Inhalten umzugehen und sie auf einer sozialen Ebene zu balancieren. Stattdessen sollen die Erwachsenen die Kinder beobachten und mit ihnen zum Beispiel über Kriege und ihre Folgen zu sprechen, um eine angemessene Reflektion zu ermöglichen.

In der pädagogischen Praxis kann man das Interesse der Kinder für diese Inhalte auch nutzen und sie entsprechend für andere Spielformen begeistern. Zum Beispiel mit Star-Wars-begeisterten Kindern die basteln eigentlich "blöd" finden gemeinsam Laserschwerter aus Papprollen basteln oder Gruppenaktivitäten durch eine entsprechende Hintergrundgeschichte interessanter gestalten.

Ich habe selbst bei der Therapie mit Kindern davon schon Gebrauch gemacht und über Star-Wars-Figuren an der Gefühlsdifferenzierung und Emotionsregulation gearbeitet.

Kriegsspiele auf dem Handy, der Konsole oder am Computer

Auch wenn Kriegsspiele aus Kindern keine "realen" Krieger machen, sind die meisten Computerspiele, in denen gegen andere gekämpft wird, in der Regel nicht für Kinder geeignet, was aber auch an den Altersfreigaben eindeutig erkennbar ist.

Gefährlich sind für die Kinder jedoch nicht die Kämpfe an sich, sondern die realistische Gewaltdarstellung in diesen Spielen, die schlimmstenfalls sogar traumatisierend auf Kinder wirken können. Die meisten Jump-and-Run-Spiele, Sportspiele, Adventures und zum Beispiel Lego-Adaptionen oder Minecraft fallen nicht unter diese Kategorie, obwohl sie durchaus „Kämpfe" beinhalten können.

Den Computerspielen wird besonders gerne nachgesagt, dass sie allgemein süchtig machen und „reale" Kontakte verhindern. Das kann beides eher nicht bestätigt werden.

Zum einen ergeben aktuelle Studien (World Vision Kinderstudie 2013, MediKus 2013, Re-Play 2013) zur Freizeitgestaltung von Kindern übereinstimmend, dass der Großteil der Kinder sehr vielfältigen Aktivitäten nachgeht und nicht eine „Spielform" alles dominiert und zum anderen zeigen diese Studien auch, dass Computer kein Ersatz für echte Freundschaften sind und online besonders aktive Kinder auch offline besser vernetzt sind (Holzmayer, 2013).

Gefahr durch Computerspiele

Tatsächliche Gefahren gehen von Computerspielen erst aus, wenn diese zum Beispiel aufgrund zerrütteter Familienverhältnisse eine Ersatzfunktion erhalten und Defizite in der emotionalen Bindung und Geborgenheit kompensieren müssen, oder wenn bereits krankheitsbedingter Realitätsverlust (Halluzinationen, Wahnideen, Schizophrenie) vorliegt (Mogel, 2008).

Kaum bekannt und beachtet werden hingegen die Vorteile des Computerspielens. Tatsächlich haben Computerspiele einen förderlichen Einfluss auf die Entwicklung und Differenzierung von Wahrnehmung, Denken und Motivation, Kombinations- und Koordinationsfähigkeit, Geschicklichkeit, Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit (Mogel, 2008).

Um Unsicherheiten der Eltern abzubauen und damit potentielle Beeinträchtigungen durch Computerspiele relativiert werden können, rät Mogel den Eltern häufiger mit ihren Kindern gemeinsam zu spielen. Gefahren kann durch eine angemessene Auswahl der Spiele, einem gemeinsamen Spiel von Kindern und ihren Eltern und eine entsprechende allgemeine Vielfalt im kindlichen Spiel entgegengewirkt werden.


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