Polens befremdlicher Blick auf die Gewalt in Deutschland

  27 Juli 2016    Gelesen: 397
Polens befremdlicher Blick auf die Gewalt in Deutschland
Ob Würzburg, München, Ansbach oder Reutlingen – für Polens rechtsgerichtete Medien ist klar: Die Taten sind eine Folge von Merkels Flüchtlingspolitik. Für diese These werden auch Fakten verdreht.
Die regierungsnahen Medien in Polen sind für ihre harte Ausdrucksweise bekannt, aber am Montag war klar: Das ist kein normaler Tag. Die Artikel klangen noch etwas wütender als sonst. Am Sonntag war eine schwangere Polin von einem syrischen Asylbewerber in Reutlingen ermordet worden, in der Nacht kam es zu einem mutmaßlichen Selbstmordattentat in Ansbach.

Die deutschen Eliten hätten eine "islamische, mörderische Horde" ins Land gelassen, hieß es auf dem rechten Nachrichtenportal "wpolityce.pl" am Morgen danach. Die deutschen Medien und Sicherheitsdienste würden sich "verschiedene Dummheiten ausdenken, um die Katastrophe der Politik von Angela Merkel zu vertuschen". Es sei schwer, "diesen selbstmörderischen Trieb" der Deutschen ruhig zu kommentieren, schrieb der Journalist Stanislaw Januszewski.

In Polen gibt es schon seit Längerem eine größere Skepsis gegenüber der deutschen Flüchtlingspolitik. Die konservativ-liberale Vorgängerregierung hatte sich nur widerwillig darauf eingelassen, innerhalb von zwei Jahren 6500 Flüchtlinge aufzunehmen.

Deutschland soll Beweise versteckt haben

Die aktuelle Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) verkündete dann, wegen Sicherheitsbedenken gar keine Flüchtlinge aus anderen EU-Ländern übernehmen zu wollen, und wurde dafür im Ausland scharf kritisiert. Die regierungsnahen Medien sehen in den Ereignissen der letzten Tage in Deutschland nun eine Bestätigung dafür, dass die polnische Politik richtiglag. Um die Argumente noch schlagkräftiger zu machen, werden dabei allerdings in einigen Medien die Fakten verdreht.

Besonders tut sich dabei der Staatssender TVP hervor. So wurde in einem Nachrichtenbeitrag behauptet, es sei in den deutschen Medien nicht über das Bekennervideo des Attentäters von Würzburg berichtet worden. "Es geht darum, Beweise zu verstecken, dass die Politik der offenen Tür von Angela Merkel gefährlich für Europa ist", erklärte der Sprecher. Tatsächlich informierten sowohl die Polizei als auch deutsche Medien über das Video.

In einem anderen Beitrag wurde suggeriert, der Amoklauf von München sei in Wirklichkeit ein Terroranschlag gewesen, die deutschen Medien würden dies aber vertuschen. Die Argumentation der deutschen Polizei sei absurd, ein Amokläufer lese keine Studien über das Thema, erklärte ein Experte.

Die Ermittler hatten in der Wohnung des Täters ein Buch über jugendliche Amokläufer gefunden und dies als Hinweis auf eine ebensolche Tat gewertet. Argumente, weshalb die Morde von München Terror und nicht die Tat eines psychisch Gestörten gewesen sein sollen, obwohl zurzeit alles für die zweite Variante spricht, wurden nicht geliefert.

Rechthaberische Schadenfreude in Polen

Aber nicht nur die Politik Angela Merkels wurde kritisiert, auch die Polizei bekam einiges ab. Der Einsatz der Münchner Sicherheitskräfte wurde in den Abendnachrichten als chaotisch dargestellt. Ein Experte sagte, die Polizei habe "die Bürger sich selbst überlassen".

Die Aufforderung der Behörden, keine Informationen über den Polizeieinsatz in den sozialen Medien zu teilen, bezeichnete er als Versuch, "die Ahnungslosigkeit der Polizei zu vertuschen". Tatsächlich war sie wohl eher ein Versuch, den vermeintlichen Terroristen keine Informationen zu liefern.

Und immer wieder liefern die regierungsnahen Medien den Hinweis: Wenn die Vorgängerregierung noch an der Macht wäre, hätten wir jetzt auch Flüchtlinge in Polen – "ein Armageddon", "eine Katastrophe".

Bei einigen Beiträgen scheint geradezu eine rechthaberische Schadenfreude mitzuschwingen. Manche Publizisten versuchten auch gar nicht, diese zu verstecken. Der Journalist Rafal A. Ziemkiewicz des regierungsnahen Magazins "do Rzeczy" etwa twitterte nach dem Münchner Amoklauf: "Für die Deutschen ein Schock. Immer haben sie andere ermordet, die umgekehrte Situation haben sie nicht eingeübt."

Außenminister Witold Waszczykowski nutzte die Gewalttaten zur Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik. Er erwarte von den deutschen Politikern, dass sie erklären, wie es zu den Anschlägen kommen konnte. "Uns wurde versichert, dass die Aufnahme so vieler Flüchtlinge in Europa keine Probleme verursacht. Jetzt stellt sich heraus, dass es doch Probleme gibt", fügte er hinzu. Auch Abgeordnete der rechtspopulistischen Oppositionspartei Kukiz`15 forderten, dass der Täter aus Reutlingen nach Polen ausgeliefert werden müsse. Für den Mord an einer Polin dürfe er seine Strafe nicht in einem "deutschen Luxusgefängnis" absitzen.

Doch nicht nur Politiker der Regierung und die regierungsnahen Medien äußern sich zur Situation in Deutschland: Die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita schreibt, immer mehr Deutsche würden eine Bedrohung für ihr Land erkennen. Und die liberale "Gazeta Wyborcza" meint: "Sie werden sich jetzt um ihre Sicherheit sorgen. Und weitere Anschläge erwarten."

Quelle : welt.de

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