Italiens neue Knechte

  28 Juli 2016    Gelesen: 592
Italiens neue Knechte
In Kalabrien sind die Menschen gut zu den Flüchtlingen. Wenn da nur nicht die Mafia wäre.
Die Migranten nennen ihn liebevoll „Papa Afrika“. Aber eigentlich heißt er Batholomeo Mercuri, ist Diakon und von Beruf Möbelhändler. Doch für seine Schutzbefohlenen im Zeltdorf beim aufgelassenen Industriegebiet von San Ferdinando nahe Rosarno in Kalabrien ist er wie ein Vater, weil er ihnen im Einvernehmen mit der Kommune durch seine Unterschrift und einen Stempel den „festen Wohnsitz“ in ihren Zelten attestiert.

Den brauchen die etwa 400 derzeit hier lebenden Afrikaner für ihr laufendes Asylverfahren und mögliche Arbeitsverträge. Eigentlich müsste die Gemeinde aktiv werden. „Doch dort rührt sich niemand; der Ort ist quasi tot, der Staat schwach; die Kirche tut nichts. Da müssen Einzelinitiativen ran“, sagt „Papa Afrika“.

Schwarze Wolken hängen über dem Lager. Warmer Regen macht die Luft feucht und schwer. Der immergrüne üppig blühende violette, rote und weiße Oleander, der rund ums Lager als Hecke wuchert, zeugt von der Fruchtbarkeit und dem Reichtum der mediterranen Natur. Die paar Palmen dazwischen aber sind von einer Krankheit befallen, und Farbe bringen neben dem Oleander nur die blauen oder weißen Zelte, die hier vor fünf Jahren vom Innenministerium aufgestellt wurden. Sie sind aber mittlerweile grau und undicht. Plastik verhängt die Löcher.

„Es soll demnächst neue Zelte geben“, sagt „Papa Afrika“. Das täte gewiss auch dem achtzehn Monate alten Emanuel gut, der gerade lachend zwischen seinen ghanaischen Eltern hin und her läuft. Sein gelbes Plastikauto hat er vor dem Zelteingang geparkt. Bisher besitzt Emanuel sonst kaum Spielzeug; außer einer Puppe und leeren Dosen, in denen mal Bohnen oder Tomatenmark waren, wie man sie im von den Migranten organisierten Lädchen am Lagereingang kaufen kann.

Seit Jahrzehnten hoch verschuldet

„Papa Afrika“ schwört auf seine schwarzen Freunde aus Ghana, Mali, Burkina Faso, Senegal und Nigeria. „Sie bringen so viel Einsatzkraft und so viel Stolz mit“, sagt er. Das seien fast alles Menschen, die diesem alternden Italien nutzen könnten, aus dem so viele junge Italiener abwandern.

Neben dem Zeltlager gibt es noch ein Containerdorf mit 300 Ausländern; zudem ein nie fertiggestelltes Fabrikgebäude, in dem eine unbekannte Anzahl Männer Schutz gefunden hat. Mehr als zehn Prozent der gut 4000 Einwohner von San Ferdinando sind Migranten; zur Erntezeit der Orangen im Winter sogar deutlich mehr. Sie alle brauchen Hilfe. Aber der Ort ist seit Jahrzehnten hoch verschuldet und selbst hilflos.

Schon die jährlich 50.000 Euro zur Bezahlung von Strom und Wasser für die Flüchtlinge erhöhten den Schuldenberg, sagt ein Angestellter im Rathaus, der namentlich nicht zitiert werden will. Dabei sei der im 19. Jahrhundert gegründete Badeort der Markgrafen von Nunziante einst Zierde am Golf von Gioia Tauro gewesen. Man war stolz darauf, als erster Ort Kalabriens Clementinen exportieren zu können.

„Längst integriert“

Sommergäste belebten die Promenade am Mittelmeer und brachten weiteren Wohlstand nach San Ferdinando. „Dann vertrieb der Bau des Container-Terminals von Gioia Tauro unsere Touristen und ist selbst zum wirtschaftlichen Desaster geworden.“ Jetzt werde San Ferdinando schon das dritte Mal von einem Kommissar des Innenministeriums verwaltet, weil frühere Bürgermeister im Dienst der kalabrischen Mafia standen. Der Blick auf das Rathaus zeigt bildlich das Desaster: Die Fassade wurde nie fertig. Unverputzte Ziegel, wo wohl Marmor geplant war.


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