New York probt die Abschaffung der Energieversorger

  03 Auqust 2016    Gelesen: 906
New York probt die Abschaffung der Energieversorger
Im New Yorker Stadtteil Gowanus hat im Frühjahr ein Experiment begonnen. Es könnte die Energiewirtschaft revolutionieren. Allerdings gibt es noch viele unbeantwortete Fragen.
New-York-Besuchern wird der Stadtteil Gowanus in Brooklyn aus mancherlei Gründen angepriesen. „Coole Kunstgalerien und Musikclubs“ verdrängten den „muffigen Geruch des Kanals“, der dem Viertel seinen unverkennbaren Duft verleihe. Der Mix aus Industriebauten und einfachen Reihenhäusern biete der Kreativszene Platz, die Underground-Szene mache ihrem Namen Ehre.

An das alles denkt die Energiewirtschaft weniger, wenn sie über das aufstrebenden Viertel Park Slope in Gowanus nachdenkt. Sondern daran, dass dort in diesem Frühjahr ein Experiment begonnen hat, das die Energiewirtschaft revolutionieren könnte. Längs der President Street versorgen Bürger von der einen Seite der angegrauten Reihenhäuser die Bewohner der anderen Seite seit April mit selbsterzeugtem Strom. Der kommt von den Solarpanels auf ihren Dächern. So weit ist das alles nicht revolutionär.

Bei Stromversorgern klingeln die Alarmglocken

Neu an dem „Brooklyn Microgrid“ ist, dass sie auch Abrechnung und Bezahlung direkt untereinander abwickeln, ohne einen dazwischen geschalteten Versorger. „Der Mechanismus zeigt, wie die Zukunft eines dezentralen, in Nachbarschaften selbst verwalteten Stromnetzes aussehen könnte“, analysiert die Beratungsgesellschaft PWC. Was die Berater so nüchtern hinschreiben, lässt bei Stromversorgern die Alarmglocken klingen. Denn wer braucht ihre Dienste noch, wenn Verbraucher und Erzeuger im digitalisierten Strommarkt ihre Geschäfte dezentral und allein untereinander abwickeln?

An dem New Yorker Modell nehmen zwar nur zehn Haushalte teil, doch hat es sich schon weit herumgesprochen. Unlängst ließ sich die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) das Bürgerstromprojekt vor Ort erklären. Und im fernen Deutschland machen sich die Verbraucherzentralen schon Gedanken darüber, wer Gewinner und wer die Verlierer der nächsten Stufe der Digitalisierung sein werden.

„Das wird den Strukturwandel beschleunigen und neue Akteure auf den Markt rufen“, sagt Udo Sieverding von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Er fügt hinzu: „Von diesem Wettbewerb können Verbraucher profitieren: die klassischen Kunden im Strom- und Gasmarkt, besonders aber die Prosumer, die sich als Anbieter selbst erzeugten Stroms ein Stück vom Kuchen sichern.“ Für eine Bestandsaufnahme hat PWC für die Verbraucherzentrale das Thema genauer durchleuchtet.

Kern des New Yorker „Nachbarschaftsnetzes“ ist die digitale Abrechnung. Sie geschieht mittels eines neuartigen Verfahrens namens Blockchain. Dabei werden, vereinfacht gesagt, alle zwischen Anbieter und Kunden ausgetauschten Daten verschlüsselt und gespeichert. Bei neuen Transaktionen werden deren Daten den bestehenden hinzugefügt, die Datenketten verlängern sich. Da diese Daten allein auf beteiligten Rechnern gespeichert werden, sollten sie manipulationssicher sein. Jeder Befugte hat jederzeit Zugriff darauf, niemand kann behaupten, er hätte weniger Strom bezogen oder weniger Geld bekommen als abgemacht.


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