Der Mad Man des Bankwesens

  07 Auqust 2016    Gelesen: 679
Der Mad Man des Bankwesens
Mark Carney hat lautstark vor den Folgen eines Brexits gewarnt. Jetzt muss der britische Notenbankchef die Wirtschaft vor einem Absturz bewahren.
Die wirtschaftlichen Folgen eines Brexit machen sich immer deutlicher bemerkbar: Die britische Bauindustrie ist im Juli so stark geschrumpft wie seit sieben Jahren nicht. Auch die Dienstleistungen – der Stützpfeiler der britischen Wirtschaft – und die Industrieproduktion brachen ein. Die Zahl der Neuanstellungen in unbefristete Stellen ging so stark zurück wie seit 2009 nicht, teilte der Berufsverband für Personalvermittlung (REC) am Freitag mit. Die Hauspreise in Großbritannien sanken im Juli laut der Halifax-Bank um ein Prozent. Und dabei haben die Brexit-Verhandlungen noch nicht einmal begonnen.

Im Zentrum dieses aufkommenden Sturms ist die Bank of England. Und die hat auf die Entwicklungen reagiert: Zentralbankchef Mark Carney senkte den Leitzins am Donnerstag auf 0,25 Prozent. Weitere Käufe von Staats- und Unternehmensanleihen sollen die Wirtschaft in den kommenden Monaten stabilisieren. Carney warnte Banken davor, den niedrigeren Zinssatz nicht an ihre Kunden weiterzugeben und drohte mit Strafen, falls sie den Kreditfluss stoppen.

Ob Mark Carney es jetzt bereut, dass er vor drei Jahren den Job als Gouverneur der Bank of England übernommen hat? Als der damalige Schatzkanzler George Osborne den heute 51-Jährigen Kanadier 2013 nach Großbritannien geholt hat, war Carney so was wie ein Rockstar der Finanzwelt. Als Chef der kanadischen Notenbank hat er das Land erfolgreich durch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise gesteuert. Kanada war zu diesem Zeitpunkt die einzige große Industrienation, in der keine Bank mit Steuergeldern gerettet werden musste. Er kennt sich also mit Krisen aus. Nur wenige Stunden nach der Verkündung des Ergebnisses des EU-Referendums im Juni trat Carney in London vor die Kameras und versicherte, dass es der Wirtschaft gut gehe. Zwei Wochen später lockerte er die Kapitalanforderungen für Banken, um eine Kreditkrise zu verhindern.

13 Jahre bei Goldman Sachs

Geholfen hat ihm dabei sicher seine Erfahrung bei einer der Banken, die für die Krise verantwortlich war: Carney hat 13 Jahre lang für Goldman Sachs gearbeitet. Doch auch in der Politik konnte er Erfahrungen sammeln: Von 2004 bis 2008 war der Oxford-Ökonom Senior Associate Deputy Minister of Finance im kanadischen Finanzministerium. Als kanadischer Zentralbanker warnte er seine Landsleute davor, zu viele persönliche Schulden anzuhäufen – eine Warnung, die man kaum von einem Notenbanker erwarten würde, dessen Job es ist, die Wirtschaft in Schwung zu halten. 2010 führte ihn das Time Magazine als eine der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt auf. Carney ist der erste Ausländer auf dem Posten des Bank-of-England-Gouverneurs in der mehr als 300-jährigen Geschichte der Institution.

Dabei hat er sich noch nie damit zurückgehalten, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Wenige Wochen vor dem EU-Referendum bezog Carney verbal Prügel von führenden Leave-Aktivisten, nachdem er gewarnt hatte, dass ein Leave-Votum das Land in eine Rezession stürzen und die Finanzmärkte destabilisieren könnte. Die Leave-Befürworter schäumten vor Wut. Der konservative Abgeordnete Jacob Rees-Mogg forderte Carneys Entlassung, da er das Neutralitätsgebot der Zentralbank verletzt habe. Andrea Leadsom, heute Umweltministerin, bezeichnete Carneys Äußerung als "unglaublich gefährlich".

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