Eigentlich wollten die deutschen Tischtennismänner im Mannschaftswettbewerb ins Finale einziehen. Das wäre der maximal mögliche Erfolg gewesen, denn gegen China sind alle anderen Nationen schon seit Jahrzehnten chancenlos. Hoffnungslos unterlegen waren die Deutschen dann aber beim 1:3 gegen Japan, und das könnte in den kommenden Jahren so bleiben. Immerhin bleibt in Rio de Janeiro die Hoffnung auf die Bronzemedaille.
Deutsche Spieler von der Top-Form entfernt
Die beiden großen Namen im deutschen Tischtennis wussten während Stegers Einzel dann auch, dass es im Halbfinale des Teamwettbewerbs gegen Japan nicht mehr reichen würde. Steger war gegen den entfesselt aufspielenden Jun Mizutani ohne Siegchance. 5:11, 4:11 und 4:11 hieß es nach drei ernüchternden Sätzen. Nicht die Tatsache, dass die deutschen Tischtenniscracks das Halbfinale gegen Japan verloren hatten, ließ Roßkopf und Boll versteinern, sondern die Deutlichkeit, mit der das geschah. Zuvor hatte auch Boll in seinem Einzel gegen Mizutani glatt 0:3 verloren, das Doppel ging 3:1 an die Japaner. Allein der 3:0-Einzelerfolg von Dimitrij Ovtcharov hatte ganz zu Beginn Mut gemacht.
"Das ist seit langer Zeit mal wieder neu, gefühlt nicht das Maximum herausgeholt zu haben", sagte Boll später. "Sonst haben wir, wenn wir komplett waren, eigentlich immer erst gegen China verloren", fügte der 35-Jährige an, der bei seinen voraussichtlich letzten Spielen wie seine Teamkollegen keine Top-Form erreichte.
Über viele Jahre war die deutsche Mannschaft die einzige Nation, die den Chinesen einigermaßen nahe kam. Vor Boll und Ovtcharov hatten die Dominatoren der Sportart viel Respekt, im Training kopierten sie deren Spielstile, um bei den großen Meisterschaften bestens präpariert zu sein. Ovtcharov ist immer noch die Nummer fünf der Weltrangliste und damit bester Nichtchinese, doch in den Tagen von Rio konnte er diesen Status nicht untermauern. Im Einzel scheiterte der Bronzemedaillengewinner der Spiele von London 2012 im Viertelfinale am weißrussischen Altmeister Wladimir Samsonow, Boll war gegen einen unbekannten Nigerianer bereits eine Runde zuvor rausgeflogen.
Währenddessen sind die Japaner drauf und dran, nicht nur für den Moment, sondern dauerhaft an den Deutschen vorbeizuziehen. Wegen der Olympischen Spiele in vier Jahren in Tokio unternehmen die Japaner große Anstrengungen, zumindest die zweiterfolgreichste Nation in der Tischtenniswelt zu werden. "Wenn man sich den Altersdurchschnitt der Japaner anguckt, bin ich persönlich davon überzeugt, dass sie noch drauflegen werden in den nächsten Jahren. Die machen wahnsinnig gute Nachwuchsarbeit", sagte Ovtcharov.
Auf diesem Niveau findet man in Deutschland keine Talente. Boll und Steger sind bereits 35 Jahre alt. Ovtcharov, 27, könnte bald seine langjährigen Teamkollegen an der Platte verlieren. Im Augenblick ist neben Patrick Franziska, 24, niemand in Sicht, der das Niveau des Teams halten könnte. Selbst in Europa sind die Deutschen schon nicht mehr unantastbar, zweimal reichte es zuletzt bei Europameisterschaften nicht zum Titelgewinn.
Es deutet daraufhin, dass die Deutschen in der Zukunft bei Teamwettbewerben wegen der Übermacht aus China und Japan nicht mehr das Finale als Ziel ausgeben können, sondern ein dritter Platz das Maximale ist. Vor diesem Hintergrund ist der Kampf um die Bronzemedaille am kommenden Mittwoch gegen Südkorea (16 Uhr, Liveticker SPIEGEL ONLINE) ein guter Test. "Ich erwarte ein Spiel auf Augenhöhe. Aber auch nur, wenn wir uns in bester Verfassung präsentieren", forderte Ovtcharov.
Gegen Japan hatte es mit diesem Vorhaben nicht geklappt.
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