Damit machen sie eine ziemlich sichere Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht etwas unwahrscheinlicher. Das hatte nämlich schon 2015 in der Debatte über Kopftücher klargestellt, dass es sehr hohe Maßstäbe anlegt, wenn es um religiöse Symbole geht.
Ein Ende der Debatte über Burkas, Nikabs und andere Formen der Vollverschleierung ist damit vermutlich aber nicht erreicht. Beim Koalitionspartner SPD, den die Union für ein Verbot braucht, ist das Unbehagen trotz der Abkehr von einem grundsätzlichen Verbot groß. Neben der Frage, ob ein entsprechender Gesetzentwurf gerichtsfest ist, liefern schließlich auch Zweifel an der Praktikabilität und Angemessenheit eines Verbots reichlich Gesprächsstoff. Das macht ein Blick ins europäische Ausland deutlich.
In Frankreich und Belgien existiert ein Burka-Verbot bereits seit gut fünf Jahren. Die Bilanz ist durchwachsen.
Der Staat ist machtlos
Die Unionsinnenminister machten sich angesichts der jüngsten islamistischen Terroranschläge in Deutschland zum wiederholten Male an das Burka-Verbot. Sie gaben an, von Sorgen um die Sicherheit getrieben worden zu sein.
In Frankreich und Belgien erhöhte sich seit der Einführung des Burka-Verbots allerdings die Terrorgefahr. Man kann daraus keinen kausalen Zusammenhang ableiten. Ohnehin lässt sich trefflich darüber streiten, ob die Burka überhaupt im Kontext einer Sicherheitsdebatte debattiert werden sollte. Klar ist aber: Was man sich in Sachen Sicherheit in Frankreich und Belgien von dem Verbot erhofft hat, ist nicht eingetreten.
Zudem war festzustellen: Statt zum gesellschaftlichen Frieden beizutragen, sind eher Trotzreaktionen und eine weitere Zuspitzung der Debatte zu beobachten. In Frankreich etwa gehen Schätzungen zufolge noch immer rund 2000 Frauen vollverschleiert auf die Straße. Berichten zufolge handelt es sich dabei oft um dieselben Personen. Für etliche von ihnen zahlt ein wohlhabender Mäzen das Bußgeld in Höhe von 150 Euro.
Da der Justiz abgesehen von Zwangs-Staatskundeunterricht kein weiteres Druckmittel zur Verfügung steht, um das Verbot durchzusetzen, geben es immer mehr Polizisten auf, diese Frauen überhaupt noch zu kontrollieren oder vor Gericht zu bringen.
Muslimische Verbände berichten zugleich, dass Frauen mit Schleier dafür immer häufiger Anfeindungen von Privatleuten ausgesetzt seien. Das Verbot als Pöbelfreischein.
Aus der politischen Rechten ertönte unterdessen sogar schon der Ruf, mit drakonischen Strafen wie dem Entzug von Staatsbürgerrechten auf die fehlende Wirkung des Verbots zu reagieren.
In Belgien sind neben Geldstrafen auch bis zu sieben Tage Haft für renitente Burka-Trägerinnen möglich. Die Zahl der Vollverschleierten hat sich aber auch dort nicht bedeutsam verringert. Sie liegt Schätzungen zufolge bei einer kleinen dreistelligen Zahl.
Burkas wirken auch so fremd, weil sie so selten sind
Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Frage der Verhältmäßigkeit in Deutschland. Wollen Union und SPD angesichts der Erfahrungen im europäischen Ausland wirklich ihre Energie für das Thema Burka einsetzen?
Ja, der Anblick einer vollverschleierten Frau löst bei den meisten Menschen negative Assoziationen hervor. Wohl kaum, wie es die Verknüpfung mit Terror in Sicherheitsdebatte der Union suggeriert, weil die Menschen dächten, dass sich unter jedem Schleier auch ein Sprengstoffgürtel verbergen könnte. In der Union selbst war man zuletzt sichtbar bemüht, diesem Eindruck entgegenzutreten. Die negativen Assoziationen entstehen vielmehr, weil mit Burka und Co. die Unterdrückung der Frau und eine ausgesprochen rückwärtsgewandte Auslegung des Islam in Verbindung gebracht wird. Sie ist ein Symbol der Desintegration.
Doch sieht man von dieser Wahrnehmungs-Komponente ab, ist festzustellen: In der Bundesrepublik gibt es nicht einmal verlässliche Schätzungen darüber, wie viele Frauen sich mit Burka, Nikab oder einer anderen Verschleierung in der Öffentlichkeit zeigen.
Wer Berlins "Arabische Allee", die Sonnenallee in Neukölln, entlangspaziert, kann schon durchaus verstört auf den Anblick einer vollverschleierten Frau reagieren – allerdings nicht, weil diese dort immer häufiger zu sähen wären. Sondern vielmehr, weil sie dort auch im August 2016 noch ein seltener und damit fremder Anblick sind.
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