Pokal-Ausschreitungen in Magdeburg: Raketen in den Familienblock

  22 Auqust 2016    Gelesen: 608
Pokal-Ausschreitungen in Magdeburg: Raketen in den Familienblock
Eintracht Frankfurt hat in der ersten Runde des DFB-Pokals im Elfmeterschießen beim 1. FC Magdeburg gewonnen. Die Partie wurde bereits während der regulären Spielzeit zur Randnotiz - beide Fanlager randalierten.
Lukas Hradecky war nicht zum Lachen zumute. Der Torhüter von Eintracht Frankfurt hatte sein Team zwar gerade bei Drittligist 1. FC Magdeburg mit zwei Paraden zum 4:3 (1:1, 1:0)-Sieg im Elfmeterschießen und damit in die zweite Runde des DFB-Pokals geführt. Doch der Finne sagte: "Ich lächle zwar gerade ein bisschen, aber freuen kann ich mich nicht."

Zum einen trieb den Eintracht-Keeper die äußerst dürftige Leistung seines Teams um. "Wir haben ein schlechtes, schlechtes Spiel absolviert. Das war keine erstklassige Leistung. Wir haben noch viel zu tun", kritisierte Hradecky. "Da war keine Ballkontrolle, kein Ballbesitz. Dazu kamen falsche Entscheidungen mit dem Ball. Es war nicht leicht, dieses Spiel von meiner Torhüterposition aus zu beobachten."

Und es gab noch einen weiteren Grund, der Hradecky und vielen anderen Zuschauern diese Partie vergällte: Zu Beginn der zweiten Hälfte waren aus dem Gästeblock der etwa 2.300 Eintracht-Fans zunächst dunkle Rauchschwaden aufgestiegen. Wohl um die Sicht auf jene Chaoten zu vernebeln, die kurz darauf Raketen in den benachbarten Familienblock der Magdeburger schossen. Die Feuerwerkskörper landeten inmitten der FCM-Fans und explodierten krachend. Menschen flüchteten aus dem Stadion, die Polizei marschierte auf. "Kurzzeitig Angriffe auf Polizeibeamte im Pufferblock", twitterte die Magdeburger Polizei.

Magdeburgs Stadionsprecher Torsten Rohde rief entsetzt in Richtung der Eintracht-Randalierer in sein Mikrofon: "Seid ihr denn des Wahnsinns? Da sitzen Kinder und Familien, es könnten eure eigenen sein. Schämt Euch!" Doch auch das hielt wiederum die Magdeburger Hardcorefans in Block U nicht davon ab, sich provozieren zu lassen und auf den Platz zu stürmen. Ein paar Hundert hatten die Balustrade zum Stadioninnenraum bereits überwunden und die Werbebanden abgerissen, sodass auch dort die Polizei aufmarschieren musste.

"Hoffentlich sind alle gesund"

Schiedsrichter Markus Schmidt musste die Partie von der 47. bis zur 58. Minute sogar unterbrechen, bis sich die Aggression gelegt hatte und weitergespielt werden konnte. Torhüter Hradecky war einer der Wenigen, die sich nach Abpfiff zu den Vorfällen äußern mochten - ebenso klar wie zuvor zu den sportlichen Unzulänglichkeiten. "So etwas gehört meiner Meinung nach nicht zum Fußball", sagte der 26-Jährige. "Ich hatte selbst Angst, auch um Fans und die Polizei, dass niemand zu Schaden kommt. Hoffentlich sind alle gesund, das ist das Wichtigste."

Den Attacken waren verbale Scharmützel vorausgegangen. Magdeburgs Ultras hatten mit einem Graffiti provoziert:

Die Frankfurter konterten mit einem dem Kubrick-Film "Clockwork Orange" entlehnten Flyer-Motiv:

Im Stadion waren aus dem FCM-Block "Wessi-Schweine"-Chöre zu hören; die Frankfurter antworteten mit "Nazi-Schweine".

Die Verantwortlichen der Klubs mochten sich in den Stadionkatakomben nicht so eindeutig äußern. FCM-Trainer Jens Härtel wiegelte ab, Frankfurts Trainer Niko Kovac mochte ebenso wie Sportdirektor Bruno Hübner gar nichts zu den Attacken der Frankfurter Fans sagen.

Nur Sportvorstand Fredi Bobic kündigte an: "Wir werden uns morgen in Ruhe zusammensetzen und Bilder und Informationen sammeln, um das zu analysieren." Vorverurteilungen in der Hektik nach dem Spiel brächten nichts, sagte Bobic. Immerhin drohte er an, gegebenenfalls "Schritte einzuleiten" und mögliche Straftaten "mit Konsequenz zu verfolgen". Eine eindeutige Stellungnahme zum unzweifelhaften und geplanten Versuch der Körperverletzung durch Frankfurter Störer klingt anders.

Gästeblock wurde gerade erst renoviert

Aber auch die Bosse des 1. FC Magdeburg hielten sich seltsam bedeckt. Manager Mario Kallnik ließ sich nicht bei den Journalisten sehen; Präsident Peter Fechner sagte ähnlich defensiv wie Bobic: "Das, was da passiert ist, insbesondere die Raketen, die in die Zuschauerreihen geflogen sind, wo auch Kinder sind, will ich gar nicht weiter kommentieren. Das ist eine Geschichte, die darf nicht sein. So etwas gehört nicht ins Stadion." Nach Krawallen durch Dresdner Fans im April war der Gästeblock im Magdeburger Stadion gerade erst neu renoviert worden.

Die starke kämpferische Leistung der Magdeburger ging im Nebel der Frankfurter Rauchbomben und im Chaos des versuchten Platzsturms der Heimfans unter. "Wir hätten das Spiel auch in 90 oder 120 Minuten entscheiden können, wir hätten den Sieg mehr verdient gehabt. Aber im Elfmeterschießen gibt es immer irgendeinen Arsch, der verschießt", sagte Magdeburgs Jan Löhmannsröben. "Ich habe leider verschossen." Doch die gute Leistung kann den Magdeburgern nach dem durchwachsenen Start in die 3. Liga (zwei Niederlagen, ein Sieg) Auftrieb geben. In Magdeburg spricht das zwar keiner aus, aber mittelfristig wollen sie an der Börde in die 2. Liga.

Nicht ausgeschlossen, dass sie dort irgendwann auf Eintracht Frankfurt treffen, wenn sich das Team nicht steigert. Nach der Rettung in der Relegation in der Vorsaison wirkt die Mannschaft eine Woche vor dem Start in die Liga gegen den FC Schalke 04 nicht bundesligareif. Der Sieg beim 1. FCM, der sich wie eine Niederlage anfühlte, wird der Leistung nicht förderlich sein. "Wenn wir so gegen Schalke auftreten, verlieren wir 0:4", sagte Hradecky. Immerhin war dem Schlussmann sein Sinn für Humor trotz der doppelt bitteren Partie nicht ganz abhanden gekommen.

Quelle : spiegel.de

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