Reizgas aus der Drogerie

  23 Auqust 2016    Gelesen: 571
Reizgas aus der Drogerie
Die Drogeriemarktkette dm verkauft neuerdings ein Tierabwehrspray, das auch gegen Menschen eingesetzt werden kann. Die Polizei jedoch warnt vor dem Einsatz des Sprays.
Ganz unten im Regal ist das "Tierabwehrspray" platziert, neben den Probiergrößen für Spülmittel, Duschgel und Zahnpasta, "Pfeffer-KO Fog", 40 Milliliter für 5,59 Euro. Doch wohl kaum eine der Kundinnen wird sich nach der kleinen Dose bücken, um gegen den bösen Wolf gerüstet zu sein. Die Bezeichnung "Tierabwehrspray" macht lediglich den freien Verkauf möglich, denn tatsächlich enthält die Dose: Pfefferspray, das gerne zur Selbstverteidigung eingesetzt wird – und das es seit einigen Wochen in der Drogerie-Kette dm zu kaufen gibt.

Es habe "vermehrt Anfragen von Kundinnen" gegeben, die das Spray "in gewohnter Einkaufsumgebung kaufen wollten", erklärt dm-Geschäftsführer Sebastian Bayer. "Wir haben das geprüft und uns entschieden, das Tierabwehrspray in unser Angebot aufzunehmen." Seit dem 23. Juni ist es in den dm-Märkten verfügbar, bereits seit 9. Mai im Online-Shop. Die Resonanz der Kundinnen sei "überwiegend positiv", sagt Bayer. Und auch die Verkäuferin in einer DM-Filiale in Berlin-Mitte berichtet, dass sich das Spray "sehr gut verkauft", "gerade in den letzten Wochen". Bayer will sich nicht konkret dazu äußern, ob die Nachfrage mit den Angriffen in der Kölner Silvesternacht oder den jüngsten Anschlägen in München, Ansbach und Würzburg zu tun hat. Er verweist lediglich auf die Nachfrage der Kundinnen, die offenbar ein gewachsenes Sicherheitsbedürfnis widerspiegele. Doch ist ein Pfefferspray tatsächlich das richtige, vor allem erlaubte Mittel zur Verteidigung?

Für Pfefferspray braucht man eine Sondergenehmigung

Der Hersteller selbst weiß um den schmalen Grat. "Pfeffersprays dürfen nur bei vorliegenden Sondergenehmigungen, wie zum Beispiel bei Polizei und Militär verwendet werden", heißt es auf der Verpackung. "Dieses Pfefferspray ist zur Tierabwehr vorgesehen." Doch "in einer Notwehrsituation obliegt es der Einschätzung des Betroffenen, sich mit geeigneten Mitteln zu verteidigen". Der Selbstschutz müsse "verhältnismäßig" sein, "kann aber auch mit nicht dafür vorgesehenen Mitteln, wie einem Pfefferspray, erfolgen." Auf der Dose steht, dass das Spray zwar gegen Tiere vorgesehen sei, aber "es wirkt ebenso überzeugend gegen Menschen". Dafür aber ist das Mittel in Deutschland gar nicht zugelassen.

Die Konkurrenz reagiert entsetzt

Zieht DM-Konkurrent Rossmann angesichts der großen Nachfrage nach und nimmt ebenfalls "Tierabwehrspray" ins Sortiment auf? "Nein", versichert ein Sprecher: "Ein Pfefferspray ist im Grunde ein Menschenabwehrspray". Er wundere sich, dass DM, das seine anthroposophischen Unternehmensphilosophie unterstreiche, ein solches Spray verkaufe. "Wir sind ein Drogeriemarkt. Bei uns gibt es keine Schlagstöcke, keine Pistolen und auch kein Pfefferspray, solche Produkte überlassen wir lieber dem Fachhandel", sagt der Rossmann-Sprecher.

Da gehört es auch hin, meint Ingo Meinhard, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler. Er findet es bedenklich, Tierabwehrspray im Drogeriemarkt zu verkaufen. Denn um Selbstverteidigungsmittel wie Pfefferspray richtig einsetzen zu können, müsse man gut beraten werden, "sonst nebelt man sich am Ende noch selbst damit ein". Auch die Fachhändler können seit Herbst 2015 eine verstärkte Nachfrage nach Mitteln wie Pfefferspray feststellen. Nach Silvester und den jüngsten Anschlägen in Bayern habe diese noch einmal zugenommen – bei Frauen wie bei Männern. Konkrete Absatzzahlen nennt Meinhard jedoch nicht.


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