Denn Volkswagen ist immerhin Deutschlands größter Konzern, größter privater Arbeitgeber und Umsatzbringer - man darf davon ausgehen, dass sich das auch in Steuerzahlungen niederschlägt, wenngleich der Konzern nicht genaue Details zu seinen Gewerbesteuerzahlungen nennt.
Die betroffenen Städte geben die gesunkenen Einnahmen dann naturgemäß weiter an die Bürger, etwa in Form höherer Gebühren oder anderweitiger Belastungen. Zum Beispiel in Wolfsburg, der VW-Stadt schlechthin, wo der Konzern seinen Stammsitz hat.
Dort steigen die Elternbeiträge zur Kinderbetreuung steigen für Besserverdienende, was der Stadt zusätzliche 720.000 Euro Einnahmen pro Jahr bringen soll. Außerdem müssen Hundehalter künftig mehr zahlen: Die Steuer für den ersten Hund steigt um 20 Prozent auf 96 Euro. Für einen zweiten oder dritten Hund ziehen die Steuern sogar um 24 Prozent an auf 144 und 168 Euro. Der Gewerbesteuerhebesatz, zuletzt erhöht im Jahr 1980, soll nicht steigen, „um die örtliche Wirtschaft gerade in den aktuell schwierigen Zeiten nicht noch weiter zu belasten“. Jedoch steigt die Grundsteuer A (Land- und Forstwirtschaft) von 270 auf 320 Punkte, der Hebesatz bei der Grundsteuer B (bebauter oder unbebauter Grundbesitz) zieht um 30 Punkte auf 450 an. Die letzte Anpassung liegt gut 20 Jahre zurück.
Damit ist es nicht getan: Wer sein Auto in der Innenstadt auf städtischen Parkflächen abstellt, muss mehr bezahlen - 10 Cent pro Stunde. Und Baden gehen verteuert sich ebenfalls. Für das Freibad Fallersleben und das VW-Bad zahlen Erwachsene 3,50 Euro statt bisher 3,20 Euro, Saisonkarten für Erwachsene verteuern sich von 75 auf 85 Euro, eine Familie muss 10 Euro mehr und damit dann 150 Euro zahlen. Für Kinder und Jugendliche aber bleiben die Preise konstant.
In Braunschweig, wo ein Volkswagen-Komponentenwerk steht, wird Parken in den städtischen Tiefgaragen teuer - die Preise steigen um 20 Prozent nachdem sie seit den neunziger Jahren nicht mehr erhöht worden warne. Der Grundsteuerhebesatz steigt um 50 Punkte auf 500 Zähler. Mieter und Hausbesitzer müssen damit tiefer in die Tasche greifen. Die Friedhofsgebühren steigen um durchschnittlich 20 Prozent. Eine umfängliche Gebührenerhöhung gab es zuletzt im Jahr 2012. Von der erhöhten Grundsteuer verspricht sich die zweitgrößte Stadt Niedersachsens etwa 5 Millionen Euro. Parken soll rund 1 Million Euro mehr einspielen, Friedhofs- und Bestattungsgebühren 240.000 Euro.
Auch in der Stadt Baunatal macht sich der Diesel-Skandal offenbar in den öffentlichen Finanzen bemerkbar. „Baunatal ist, nicht nur was die Gewerbesteuer betrifft, stark von dem ansässigen VW-Werk geprägt“, sagt Stadtsprecherin Susanne Bräutigam. Die Gewerbesteuer (brutto, ohne Umlage) hatte in der nordhessischen Stadt im Jahr 2014 gut 72 Millionen Euro betragen, ein Jahr später kam mit gut 32 Millionen Euro noch nicht einmal die Hälfte zusammen. „Natürlich kommt der weit überwiegende Teil der Gewerbesteuer von VW“, sagt die Sprecherin.
Noch habe Baunatal ein Finanzpolster, aber: Im Haushalt 2016 ergebe sich ein Loch in Höhe von 7,5 Millionen Euro. „Nach der mittelfristigen Ergebnisplanung ist auch für das Jahr 2017 mit einem Defizit zu rechnen.“ Eine Konsequenz sei nun: Die Kulturveranstaltungen im Rahmen des „Baunataler Herbstpalastes“ werden nicht mehr an zehn, sondern nur an sechs Tagen stattfinden.
Betroffen sind aber auch Städte und Gemeinden weiter im Süden Deutschlands. Zum Beispiel Weissach in Baden-Württemberg, wo die Volkswagen-Tochtergesellschaft Porsche ein Forschungszentrum betreibt. Dort gibt es zwar in diesem Jahr noch keine Haushaltssperre, wie Kämmerin Karin Richter sagt. Doch nach fast 40 Millionen Euro im vergangenen Jahr rechnet die Gemeinde in diesem Jahr nur noch mit Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Grund sei der Komplettausfall der Gewerbesteuern von Volkswagen.
In Weissach, wo etwa 5500 Porsche-Mitarbeiter im Entwicklungszentrum beschäftigt sind, waren die Gewerbesteuereinnahmen schon vergangenes Jahr eingebrochen. Statt 70 Millionen Euro nahm die Gemeinde nur 38,8 Millionen Euro ein. Die allgemeinen Rücklagen - ein komfortables Finanzpolster, in denen die Einnahmen vergangener Jahre geparkt waren - betrugen Anfang des Jahres noch 90 Millionen Euro. Doch allein in diesem Jahr braucht die Gemeinde 12 Millionen Euro aus dem Sondertopf. 2017 wird er wohl noch einmal um 32 Millionen Euro abschmelzen.
Das bleibt nicht ohne Folgen: Großzügige Subventionen, die Weissach den Bürgern früher gewähren konnte, verschwinden: Das Baukindergeld für Familien wurde gestrichen. In früheren Jahren bekamen Familien, die Häuser bauten oder kauften, noch 5000 Euro je Kind. Auch die Zuschüsse für „Mach-Mit-Programme“, das Volkshochschulkurse oder Musikunterricht mit immerhin 40 Euro im Monat pro Kind bezuschusst, wurde eingestellt. Erhöht hat Weissach die Gebühren für die Nutzung der Strudelbachhalle und die Preise für eine Bestattung. So kostet eine Urnenbestattung in der Erde statt bislang 145 Euro nun 420 Euro.
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