Die Großen seines Reiches verehrten in ihm das Ebenbild Gottes auf Erden, urteilte ein venezianischer Diplomat und begründete dies mit einem treffenden Bild. Seine Autorität sei so groß, dass die hochrangigen Untertanen es hinnähmen, wenn "der letzte Sklave" auf Süleymans Befehl "den größten Herrn im Reiche gefangen nehmen oder hinrichten" würde. Kein Wunder, dass der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan sich Süleyman I. zum persönlichen Vorbild erkoren hat, zumal der Osmanen-Sultan mit Beinamen "der Prächtige" wesentlich plakativer Macht und Größe des Islam verkörperte als der Religionskritiker und Republikgründer Kemal Atatürk.
Allein Süleymans Abgang liefert Stoff für fantastische Träumereien. Der Sultan war etwa 71 Jahre alt, als er noch einmal einen Feldzug nach Ungarn anführte. Dort belagerte sein Heer das feste Szigetvár. Obwohl er an der Gicht litt, die ihm das Reiten unmöglich machte, hielt der Herrscher an seinem Lebensziel fest, während eines Kriegszugs zu sterben. Er erreichte es.
Es war wohl die Ruhr, die Süleyman am frühen Morgen des 6. Septembers 1566 dahinraffte, während seine Soldaten den entscheidenden Sturmangriff vorbereiteten. Um einen Aufstand der enttäuschten Truppen zu verhindern, wurden die behandelnden Ärzte mundtot gemacht, indem man sie ermordete. Eilboten brachten dem designierten Nachfolger Selim die Nachricht. Erst als der sein Regime in der Hauptstadt etabliert hatte, wurde das Heer informiert, das seine ganze Wut über die besetzte Landschaft ausließ.
Während der Leichenzug den einbalsamierten Körper nach Istanbul transportierte, wurden Süleymans "Herz, Leber, Magen und andere Innereien und in einem goldenen Gefäß an diesem Ort begraben, wo Khan Süleymans Zelt stand", schrieb der osmanische Chronist Evlia Celebi. Über der Todesstätte wurde später ein Mausoleum errichtet, daneben eine Moschee, ein Derwischkloster und eine kleine Kaserne. Die Reste wurden in den vergangenen Jahren von Archäologen ausgegraben und als der Ort identifiziert, an dem "wahrscheinlich" Süleymans Herz bestattet wurde.
So bewegt der größte aller Osmanen-Sultane noch immer die Gemüter der Nachwelt. Er war ein Mann mit vielen Gesichtern. In mehr als 2000 Gedichten besang er Liebe in Rosengärten und höfische Eleganz. Zugleich befahl er, seinen erstgeborenen Sohn zu töten. Als "Kanuni" (Gesetzgeber) ordnete er die Verwaltung des Weltreichs, dessen Finanzen er zugleich mit seinen Kriegen ruinierte. Als Kalif und Herr über die heiligen Stätten Mekka, Medina, Jerusalem und Damaskus hütete er den "Schatten Allahs auf Erden" und bescherte den Zeitgenossen zugleich mit seiner langjährigen Beziehung zu der russischen Sklavin Roxelana (Persisch: die Freudvolle) ein auch für Christen höchst ungewöhnliches Exempel "monogamischer" Liebe.
Während diese Liaison später zu einem beliebten Thema erotischer Literatur und Unterhaltung avancierte – Opern und Romane übertrafen sich in Spekulationen über den Harems-Sex – , bereicherte Süleyman zu seinen Lebzeiten vor allem als gefürchteter Kriegsherr die öffentliche Meinung. Nicht nur Europas. Zwar hatten die meisten seiner Feldzüge christliche Staaten im Visier. Aber die aufwendigsten Unternehmen galten muslimischen Konkurrenten, vor allem den Safawiden des Iran. Täbris wurde erobert und der heutige Irak. Das Schwarze Meer und das östliche Mittelmeer wurden zu osmanischen Binnenmeeren, Algier und Tunis zu Flottenstützpunkten; nur vor Wien 1529, Malta, dem Jemen und Äthiopien stieß der Ehrgeiz des Sultans an seine Grenzen.
Quelle : welt.de
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