Bebenwellen belegen heftige Detonation

  09 September 2016    Gelesen: 730
Bebenwellen belegen heftige Detonation
Der fünfte nordkoreanische Atomtest war deutlich stärker als der davor. Das zeigen Daten deutscher Geoforscher. Eine Wasserstoffbombe hat Pjöngjang aber wohl nicht gezündet.
Es war wohl ein martialisches Signal zum Nationalfeiertag. Um 2.30 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit am Freitagmorgen hat die nordkoreanische Regierung auf ihrem Testgelände Punggye Ri in der dünn besiedelten Gebirgsregion Nord-Hamgyong offenbar einen Atomsprengkopf getestet. Es wäre das insgesamt fünfte Mal. Das behauptet das Regime in Pjöngjang in seinen offiziellen Verlautbarungen - und darauf deuten auch alle Hinweise von Geoforschern hin. Offensichtlich war die Detonation deutlich stärker als beim letzten Mal.

Die deutsche Messstation des International Monitoring Systems zur Erkennung von Atomtests habe ein klares Signal aufgefangen, bestätigt Lars Ceranna von der zuständigen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover. Die Station Geres liegt am Sulzberg im Bayerischen Wald auf rund tausend Metern Höhe. Dort wurde das Echo des nordkoreanischen Kernwaffenversuchs als Erdstoß aufgezeichnet, der etwa eine Magnitude von 5,3 hatte.

Die Messstation ist eine von rund 300 weltweit (301 Stationen gibt es, davon sind aktuell 283 zertifiziert). Sie alle schicken ihre Berichte an die CTBTO Preparatory Commission in Wien. Das ist eine Uno-Einheit zur Überwachung des Atomwaffenteststopps. Im Vollausbau soll das System 337 Standorte umfassen, von denen Deutschland vier betreibt: zwei im Bayerischen Wald, zwei in der Antarktis.

Die BGR-Forscher haben bereits Erfahrung mit den nordkoreanischen Tests. Zuletzt hatten sie am 6. Januar die Signale einer atomaren Detonation auf dem Gelände in Punggye Ri aufgezeichnet. Damals kam der Test ähnlich überraschend wie jetzt. "Wir vermuten, dass der Ort nahezu identisch ist. Die Stärke diesmal war aber deutlich höher", sagt Forscher Ceranna. Man gehe von einer Ladungsstärke von 25 Kilotonnen TNT-Äquivalent aus.

Die Erdbebenwellen verraten einen Atomtest. Nach einer Detonation treffen als erstes sogenannte Primärwellen, kurz P-Wellen, an den Messstationen ein. Die rund 8200 Kilometer zwischen dem Testgelände in Nordkorea und der Station in Deutschland legen diese in gut elf Minuten zurück. Etwas später kommen die langsameren Sekundärwellen, kurz S-Wellen. Aus dem Zeitunterschied lässt sich der Bebenort bestimmen.

Charakteristischer Fingerabdruck

Bei einer unterirdischen Explosion wie nach dem nordkoreanischen Atomtest treten deutlich weniger S-Wellen auf als bei einem natürlichen Erdbeben. Auch von sogenannten Oberflächenwellen, das sind die langsamsten seismischen Wellen, kommen vergleichsweise wenige vor. Das ist der charakteristische Fingerabdruck eines Atomtests.

Im Januar hatten die Nordkoreaner behauptet, eine Wasserstoffbombe gezündet zu haben. Auf Basis der Erdbebendaten hatten die BGR-Forscher das aber ausgeschlossen. Andere internationale Experten hatten das ähnlich gesehen. Auch jetzt deute nichts auf eine Wasserstoffbombe hin, heißt es bei der BGR. Wahrscheinlich sei der Atomsprengsatz allerdings verstärkt worden. Die Koreaner hatten bereits bei ihrem letzten Test eine sogenannte geboostete Spaltungsbombe verwendet, das dürfte auch diesmal der Fall gewesen sein.

Zynisch gesprochen, könnte man also von "business as usual" sprechen. Doch Pjöngjang behauptet, diesmal eine Bombe getestet zu haben, die sich durch ihre kompakten Abmaße auch auf Lenkwaffe montieren ließe. "Aus den Bebendaten lässt sich so etwas nicht ablesen", sagt Ceranna. Und überhaupt sind die seismischen Informationen nur ein Teil des Puzzles. Rund hundert spezielle Stationen im CTBTO-Netz schnüffeln auch nach verräterischen Radionukliden wie Xenon-133 in der Luft, die nächstgelegene steht im japanischen Tagasaki.

Die strahlenden Partikel sind mit dem Wind unterwegs - und damit natürlich viel langsamer als die Erdbebenwellen. Ob überhaupt radioaktive Produkte des Atomtests zu messen sind, muss sich noch zeigen. Fraglich ist erstens, ob das Wetter passt. Dann würde es etwa zwei Tage dauern, bis der Wind den strahlenden Staub über das Japanische Meer treibt.

Strahlende Partikel

Die zweite Frage jedoch wiegt schwerer: Gelangen überhaupt radioaktive Substanzen durch das dichte Gestein des Testgeländes nach außen? Punggye Ri ist in einem Berg aus sogenanntem Granodiorit untergebracht. Das ist ein mit Granit verwandtes Material, das kaum über Risse oder Ritzen verfügt, über die strahlende Partikel nach außen gelangen können.

Nach einem Test im Jahr 2013 war das trotzdem der Fall gewesen, wenngleich mit 55 Tagen Verspätung. Nach der letzten atomaren Zündung im Januar habe man dagegen - wie bei einem Test 2009 - überhaupt keine Radionuklide aus Nordkorea messen können, heißt es bei der CTBTO Preparatory Commission. Auch nach dem aktuellen Test werde man suchen - mit ähnlich ungewissen Erfolgschancen.

Weitere Hinweise auf den nordkoreanischen Test erhoffen sich die BGR-Forscher aus der Auswertung von Satellitenbildern. Nach dem Test von Januar hatten sie in den Daten des europäischen Radarsatelliten "Sentinel-1A" nachweisen können, dass sich das Gelände in der Nähe des Testorts um bis zu sieben Zentimeter abgesenkt hat. Auch dieses Mal wollen sie wieder nach ähnlich verräterischen Veränderungen Ausschau halten.


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