Deutsche Aktionäre leiden unter Beißhemmung

  10 September 2016    Gelesen: 511
Deutsche Aktionäre leiden unter Beißhemmung
Wer kann Exzesse verhindern, wenn es um die Gehälter für Manager geht? Eigentlich sollten Aktionäre künftig ihr Veto einlegen können. Doch das Vorhaben stockt. Wieso?
In Großbritannien will die neue Premierministerin exzessive Managergehälter mit marktwirtschaftlichen Methoden bekämpfen. Nachdem die Millionen-Gehälter von Spitzenmanagern bei britischen Unternehmen wie WPP, BP und Burberry in den vergangenen Jahren immer wieder zu Aktionärsrevolten geführt haben, will Theresa May die Aktionärsrechte stärken. Die Eigentümer großer Aktiengesellschaften sollen künftig das Recht bekommen, auf der Hauptversammlung ein rechtlich bindendes Veto einzulegen.

Wie aber sieht es in Deutschland aus? Die Proteste von Aktionären gegen zu hohe Managergehälter häufen sich auch bei uns. Immer öfter lehnen Aktionäre, wenn sie danach gefragt werden, die Vergütungssysteme für Vorstände ab. Laut der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) lag die Zustimmungsquote auf den Hauptversammlungen im Jahr 2016 gerade einmal bei 76 Prozent, im Jahr zuvor lag sie noch bei knapp 93 Prozent, noch ein Jahr früher bei fast 96 Prozent. Im Mai probten zum Beispiel die Aktionäre der Deutschen Bank den Aufstand. Mehr als die Hälfte der Aktionäre lehnte ein neues Vergütungssystem für den Vorstand ab, das Extra-Boni vorsah, wenn ihr Bereich gut läuft. Zwar gelobte Deutsche-Bank-Aufsichtsratschef Paul Achleitner nach dem Denkzettel Besserung, doch rein juristisch betrachtet kann er das Votum auch ignorieren: „Der Beschluss begründet weder Rechte noch Pflichten“, heißt es lapidar in Paragraph 120 des deutschen Aktiengesetzes.

Eigentlich wollte die große Koalition das ändern. Um mehr Transparenz bei Managergehältern herzustellen, haben SPD und Union im Koalitionsvertrag fest vereinbart, dass künftig die Aktionäre auf der Hauptversammlung über die Vorstandsvergütung entscheiden sollen. Doch die Pläne liegen seit mehr als zwei Jahren auf Eis. Justizminister Heiko Maas will abwarten, wie die EU das Problem reguliert. In Brüssel arbeitet die EU-Kommission schon länger an einer Neufassung der europäischen Aktionärsrichtlinie. Doch das Projekt dort kommt nur schleppend voran. Auch hier liege das Projekt auf Eis, sagt Armin Wissdorf, Sprecher des Europäischen Parlaments, weil sich Parlament und Europäischer Rat über eine Klausel des Kommissionsvorschlags uneinig seien. „In diesem Jahr wird da wohl wenig passieren“, schätzt auch DSW-Sprecher Jürgen Kurz.

Langsam wird die Zeit für die Koalition knapp, wenn sie das Vorhaben noch in dieser Legislaturperiode beschließen will. Dennoch zeigt Heiko Maas wenig Eile. „Es ergibt keinen Sinn, vorher eine eigene nationale Regelung zu finden“, sagt Ministeriumssprecher Philip Scholz. Und auch von Seiten der Aktionäre kommt erstaunlich wenig Druck.

Viele scheinen mit unverbindlichen Abstimmungen zufrieden zu sein und beharren nicht auf eine gesetzliche Lösung. „Aus meiner Sicht muss das Ergebnis nicht bindend sein“, sagt etwa Fondsmanager Ingo Speich von Union Investment, der Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken. Der Aufsichtsrat sei für die Managervergütung verantwortlich und brauche dabei auch etwas Spielraum, meist gehe er sehr verantwortungsvoll damit um. Wenn der Aufsichtsrat bei einem so wichtigen Thema nicht auf Bedenken von Aktionären eingehe, sollten sie ihm die Entlastung verweigern. Das habe zwar juristisch keine unmittelbaren Folgen, aber der Druck der Öffentlichkeit zwinge meist zum Einlenken: „Die Nichtentlastung ist ein stumpfes Schwert, aber meist dennoch sehr wirkungsvoll.“


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