Dramatiker Edward Albee stirbt mit 88 Jahren

  17 September 2016    Gelesen: 911
Dramatiker Edward Albee stirbt mit 88 Jahren
Mit seinen Stücken hat er dem modernen Amerika den Spiegel vorgehalten. Nun ist der wohl einflussreichste Dramatiker seiner Generation gestorben.
„Alle Kunst muss, wenn sie gut sein soll, nützlich sein.“ Kaum ein amerikanischer Dramatiker hat sich diese Formel so sehr zur Maxime seines Schreibens gemacht wie Edward Albee. Als Fixstern am amerikanischen Theaterhimmel und eine der wichtigsten literarischen Stimmen seiner Generation hielt er den Menschen einen Spiegel vor. Nun ist der aus Sicht vieler Kritiker einflussreichste amerikanische Dramatiker seiner Zeit im Alter von 88 Jahren gestorben, wie die „New York Times“ unter Berufung auf seinen Sprecher berichtete.

„Die Menschen dazu bringen, mehr auf die Dinge zu achten, auf die sie achten sollten“, sagte Albee 2012 in einem Interview über seine Rolle als jemand, der ein Leben lang für das Theater lebte und schrieb. Von seinem Zuhause im beschaulichen Strandort Montauk am Zipfel von Long Island im Staat New York aus, wo er seit 1963 lebte, rüttelte er auf. Zum Nachdenken über Demokratie, Politik und Regierung müssten Dramatiker die Leser und Theaterbesucher anregen, sagte er. Aber auch: „Ob sie ihr Leben zum Vollsten leben, oder nicht, ihre Reaktion auf andere, ihre Verpflichtungen sich selbst und anderen gegenüber.“

Schon früh mit dem Schreiben begonnen

Seinem schreiberischen Schaffen schien der 1928 geborene Albee recht früh verpflichtet, indem er sich schon als Jugendlicher an ersten Gedichten, einem Roman und dem Stück „Schism“ (Schisma) versuchte, das 1944 in der Zeitschrift seiner Schule in Choate/New York erschien. Dass er sich über eine unglückliche Kindheit beklagte, mag an seiner Adoption nur zwei Wochen nach seiner Geburt in eine schwerreiche, erzkonservative Familie gelegen haben. Sein genauer Geburtsort, vermutlich in Virginia, ist nicht endgültig gesichert.

Ausgerechnet am Berliner Schiller-Theater, wo die „Zoogeschichte“ 1959 gemeinsam mit einem Stück Samuel Becketts uraufgeführt würde, machte der Adoptivsohn von Theaterunternehmer Reed Albee seinen ersten großen Schritt in die Bühnenwelt. Als das Stück es schließlich ins New Yorker Greenwich Village geschafft hatte, verpasste es dem wachsenden „Off-Broadway“, an dem abseits von Kommerz-Theater Raum für kreative Bühnenexperimente geschaffen werden sollte, einen Schub.

Wer hat Angst vor Virginia Woolf?

Albee selbst erhielt den wohl kräftigsten Schub seiner Karriere mit der bitteren Ehesatire „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“, die auch dank einer Verfilmung mit Richard Burton und Elizabeth Taylor trotz vieler weiterer Stücke bis zu Albees Tod sein bekanntestes Werk blieb. Das abendfüllende Stück hatte ihn 1962 auf einen Schlag zum unumstrittenen Star am amerikanischen Theaterhimmel gemacht. Doch die Lobpreisungen sah Albee auch mit gemischten Gefühlen: Das Stück „hängt mir am Hals wie eine glänzende Medaille - wirklich schön, aber ein bisschen beschwerlich“, sagte er einmal.

Wie auch in anderen frühen Werken übt Albee in dem Stück gnadenlos Kritik am „American Way of Life“, an der Hohlheit gesellschaftlicher Konventionen und moralischer Fassade. Seine Protagonisten George und Martha, ironisch nach dem Vorzeigepräsidenten George Washington und seiner Frau benannt, liefern sich auf Kosten eines anderen Paares ein hasserfülltes und doch seltsam vertrautes Ehegefecht. Liz Taylor und Richard Burton konnten bei der Verfilmung auf Erfahrungen aus ihrer eigenen turbulenten Beziehung zurückgreifen. Albee provozierte und kommentierte die Welt mit beißendem, hinterlistigem Humor.

Den Pulitzer-Preis, der Albee für „Virginia Wolf“ nach einem Eklat in der Jury knapp verwehrt blieb, gewann er dann gleich dreimal: für die Dramen „Empfindliches Gleichgewicht“ (1966), „See-Eskapade“ (1974) und „Three Tall Women“ (1991). In rund 30 Stücken brachte er düstere Geheimnisse von Besserverdienern ans Licht, die unter einer Fassade modernen Lebens an ihren Selbstzweifeln nagen. Er habe die „Fähigkeit für Sadismus und Gewalt in der amerikanischen Gesellschaft, die Flüssigkeit der menschlichen Identität, die gefährliche Unvernunft sexueller Anziehungskraft und stets die unumstößliche Gegenwart des Todes“ beschreiben, kommentierte die „New York Times“ einmal.


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