Zum Verwechseln ähnlich

  17 September 2016    Gelesen: 657
Zum Verwechseln ähnlich
Giraffen galten trotz der unterschiedlichen Muster bislang als nur eine einzige Spezies. Eine Genanalyse zeigt nun, es gibt insgesamt vier Arten von ihnen. Der Befund hat weitreichende Folgen für die Tiere.
Giraffen gehören nicht nur einer einzigen Art an, sondern es gibt vier Arten von ihnen, die sich in freier Wildbahn nicht miteinander paaren. Das hat die Analyse der genetischen Verwandtschaftsbeziehungen unter allen großen wildlebenden Populationen in Afrika ergeben. Bisher ging man davon aus, dass es nur eine Giraffenart mit neun Varianten, sogenannten Unterarten, gibt, die sich durch ihre Fellzeichnungen, die Form der Hörner und ihre Verbreitungsgebiete unterscheiden. Nach der genetischen Analyse muss diese Sicht nun revidiert werden. Die Untersuchung einer repräsentativen Gen-Auswahl aus dem Zellkern der Tiere hat ergeben, dass sich die Giraffen in vier distinkte Arten und fünf Unterarten einteilen lassen. Der letzte gemeinsame Vorfahre der vier Giraffenarten hat vor rund 0,4 bis 2 Millionen Jahren gelebt. Das entspricht in etwa der Zeit, die nötig ist, damit bei Säugetieren eine neue Art entsteht.

Die genetischen Analysen wurden von Axel Janke vom Senckenberg Biodiversität und Klima-Forschungszentrum in Frankfurt und seinen Kollegen gemacht. Julian Fennessy von der „Giraffe Conservation Foundation“ in Windhoek, Namibia, hat das Untersuchungsmaterial beigesteuert. Fennessy und seine Kollegen haben dafür in den zurückliegenden zehn Jahren in 21 afrikanischen Ländern - auch in Bürgerkriegsgebieten - insgesamt 190 Gewebeproben von wildlebenden Giraffen sichergestellt, darunter auch Proben von allen neun, ursprünglich als Unterarten eingestuften Tieren.

Rätselhafte Symboltiere

Die „Giraffe Conservation Foundation“ widmet sich seit zehn Jahre dem Schutz der Giraffen. Trotz ihres Symbolcharakters für Afrika und ihrer Unübersehbarkeit sind bisher nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen zu Giraffen gemacht worden. Es gebe lediglich vierhundert wissenschaftliche Artikel zur Giraffe, sagt Janke im Gespräch, dagegen 25.000 Beiträge zum Rhinozeros. Das zeige, wie wenig letztlich über diese Tiere bekannt sei.

Die Klärung der Verwandtschaftsbeziehung war von Fennessy eingeleitet worden, weil er wissen wollte, ob die Umsiedlungen der Giraffen in der Vergangenheit zu sichtbaren Veränderungen im Erbgut der Tiere geführt haben und ob diese Umsiedlungen klug geplant gewesen sind oder ob andere Umsiedlungen aus genetischer Sicht sinnvoller gewesen wären. Dass es am Ende dieser Klärung vier statt einer Giraffenart geben würde, hatte niemand erwartet. Die genetischen Unterschiede zwischen diesen vier Arten sind mindestens genauso groß wie die Unterschiede zwischen Eisbär und Braunbär, die auch zwei verschiedenen Arten angehören.

Paarungsunwillig in der Wildnis

Nach den Ergebnissen von Janke, Fennessy und ihren Kollegen handelt es sich bei den vier Arten um die Süd-Giraffe mit den Unterarten Angola-Giraffe und Kap-Giraffe, die Massai-Giraffe, die Netz-Giraffe und die Nord-Giraffe mit den Unterarten Nubische Giraffe, Westafrikanische Giraffe und Kordofan-Giraffe. Die bisher als eigene Unterart betrachtete Rothschild-Giraffe ist genetisch mit der Nubischen Giraffe identisch. Die Thornicraft-Giraffe entspricht genetisch der Massai-Giraffe. In der freien Wildbahn paaren sich die Arten nicht, obwohl sie sich von ihren Verbreitungsgebieten her auf 200 Kilometer nahe kommen. Das haben die genetischen Analysen eindeutig gezeigt.

Im Zoo paaren sich die Tiere allerdings sehr wohl und bringen auch zeugungsfähige Nachkommen hervor. Eine 200 Jahre alte Abbildung der in Äthiopien und dem Südsudan heimischen Nubischen Giraffe diente Carl von Linné 1758 als Vorlage für die Erstbeschreibung. Gesehen hat er die Tiere nie. Weil sie ihn an ein Kamel und einen Leoparden erinnerten, gab Linné ihnen den Namen Giraffa camelopardalis. Janke glauben fest, dass sich die neue Einteilung rasch durchsetzen wird. „Die Daten sind sehr klar und robust. Wir rechnen mit einer schnellen Umsetzung.“

Die Ergebnisse haben auch eine erhebliche Bedeutung für den Artenschutz. Obwohl heute in Afrika nur noch 100 000 Giraffen in freier Wildbahn leben und die Zahl in den vergangenen dreißig Jahren um ein Drittel eingebrochen ist, stehen die Tiere nicht auf der Roten Liste der gefährdeten Arten, anders als etwa die Elefanten, von denen noch 352 000 Tiere in freier Wildbahn leben. „Jetzt, da wir wissen, dass es vier Giraffenarten gibt, ist es umso wichtiger und dringender, dass wir Regierungen und andere Partner in ganz Afrika beim Schutz der Giraffen unterstützen“, sagte Fennessy gegenüber dem Senckenberg Biodiversität und Klima-Forschungszentrum.

Zwei der Giraffenarten kommen zusammen nur noch auf knapp 14.000 Tiere in freier Wildbahn. Von der Nord-Giraffe gibt es noch 4750 Tiere, von der Netz-Giraffe noch 8700 Tiere. Damit sind diese beiden Arten ähnlich bedroht wie das Rhinozeros, von dem noch rund 4000 Exemplare in freier Wildbahn leben. Es sei jetzt dringend an der Zeit, mehr für den Schutz der afrikanischen Giraffen zu tun, sagt Fennessy. Sonst könnte es bald zu spät sein.


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