Gabriel will das Freihandelsabkommen der EU mit den Kanadiern unbedingt, das hat er mit diesem Trip nochmals verdeutlicht. Genauso klar ist damit aber auch: Sollten sich die Delegierten des SPD-Konvents, die am frühen Montagnachmittag in Wolfsburg zusammenkommen, gegen Ceta aussprechen, wäre ihr Parteichef maximal beschädigt. Ob er dann noch Vorsitzender bleiben könnte und wollte, ist höchst fraglich - als möglicher Kanzlerkandidat wäre er mit ziemlicher Sicherheit aus dem Rennen.
Umso größer ist der Druck auf die bis zu 235 Delegierten in Wolfsburg. Sie entscheiden einen Tag nach dem miserablen Berliner SPD-Ergebnis nicht nur über Ceta, sondern auch über die Zukunft ihres Parteichefs. Die Demonstrationen am Wochenende haben gezeigt, wie kritisch Teile der Bevölkerung das Abkommen sehen. Auch das könnte manchen Delegierten beeinflussen.
Wie wahrscheinlich ist eine Ablehnung?
Das SPD-Präsidium hat den Ceta-Antrag zum Konvent einstimmig gebilligt, im Parteivorstand war ein Mitglied dagegen. Auch von den Ministerpräsidenten gibt es breite Rückendeckung für das Papier. Dennoch wird es für Gabriel kein entspannter Nachmittag: Auf dem linken Flügel der SPD gibt es Kräfte, die Freihandelsabkommen für grundsätzlich falsch halten - und deshalb kategorisch gegen Ceta sind. Die Stimmung unter den Delegierten ist schwer vorherzusagen, aber etwa ein Viertel von ihnen könnte zu diesen dogmatischen Gegnern gehören.
Entscheidend dürfte daher eine zweite Kritikergruppe unter den Delegierten sein, an deren Spitze der Chef der Parlamentarischen Linken, Michael Miersch, steht: Sie sind kompromissbereit, es geht ihnen um konkrete Verbesserungen in den Verhandlungen mit Kanada. Der Bundestagsabgeordnete Miersch hat bereits signalisiert, dass er die internen Beratungen auf einem guten Weg sieht, vor allem wenn die Parlamente noch mehr einbezogen würden.
Realistisch erscheint deshalb eine Mehrheit von etwa 60 zu 40, vielleicht sogar 70 zu 30 Prozent für den Ceta-Antrag. Damit könnte Gabriel gut leben. Allerdings hängt am Ende viel vom Auftreten des Parteichefs selbst auf dem Konvent ab. Sollte er wie - auf dem letzten Bundesparteitag - seine Kritiker abwatschen, könnte die Stimmung kippen.
Welche Verbesserungen sind bisher vorgesehen?
Die Arbeit an den Details des Leitantrags für den Konvent dürften bis zur letzten Minuten andauern, bevor die Delegierten um 13 Uhr in einem Wolfsburger Kongresszentrum zusammenkommen: Ab 11.30 Uhr tagt nochmals der Parteivorstand, danach die Antragskommission. Erst danach wird feststehen, was Gabriel und seine Führungsmannschaft den Delegierten vorlegen.
Bisher heißt es in dem Antrag, das fertig ausgehandelte Abkommen enthalte in sehr vielen Bereichen fortschrittliche Regeln, daher sei eine Zustimmung Deutschlands grundsätzlich möglich - im Gegensatz zu TTIP, dem geplanten Freihandelsabkommen mit den USA. Allerdings fordern Gabriel & Co. schon in dem vorliegenden Antrag Verbesserungen und Konkretisierungen bei Ceta, unter anderem
- Rechtsstandards für den geplanten Handelsgerichtshof klarer zu definieren,
- internationale Arbeitnehmerrechte eindeutig anzuerkennen,
- für den Bereich der sogenannten Daseinsvorsorge (Gesundheitswesen, Bildung, Soziales)
statt der bisher vorgesehenen Negativliste eine Positivliste zu installieren.
Es stellt sich die Frage, inwiefern die SPD solche Forderungen überhaupt durchzusetzen vermag, da das Abkommen ausverhandelt ist. Von Kanadas Premier Trudeau brachte Gabriel die Zusicherung weiterer rechtlicher Klarstellungen mit. Kritiker halten das nicht für ausreichend. Kanadas zuständige Ministerin Cynthia Freeland wird dazu sogar in Wolfsburg als Gastrednerin sprechen.
Auch über das weitere Prozedere gibt es unterschiedliche Ansichten: Klar ist, dass sich die Handelsminister der EU am Donnerstag und Freitag zu weiteren Ceta-Beratungen treffen, sie werden allerdings keinen Beschluss fassen. Die Unterzeichnung des Abkommens soll Ende Oktober auf dem EU-Kanada-Gipfel erfolgen. Aber was würde passieren, falls ein Mitgliedstaat die Zustimmung verweigert? Unklar ist auch, ab welchem Zeitpunkt Teile des Abkommens vorläufig in Kraft treten könnten.
Was passiert, wenn sich der Konvent doch querstellt?
Dazu will sich in der SPD niemand äußern. Keiner möchte sich vorstellen, welche Konsequenzen Gabriel ziehen könnte: Ein Rücktritt als Parteichef wäre nicht ausgeschlossen, genau wie der Rückzug als Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler. Damit würde die SPD ein Jahr vor den Bundestagswahlen ins Chaos stürzen; sie müsste sich komplett neu aufstellen, einen Kanzlerkandidaten bräuchten die Genossen dann wohl erst gar nicht mehr zu nominieren.
Da Kanzlerin Angela Merkel und die Unionsparteien das Abkommen mit Kanada unbedingt wollen, würde die Bundesregierung wohl zunächst an Ceta festhalten. Am Ende könnte das sogar zum Bruch der Koalition führen - falls die SPD das Bündnis nicht schon vorher aufkündigen würde.
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