Der Frankfurter Hauptbahnhof verkommt vor aller Augen

  29 September 2016    Gelesen: 1059
Der Frankfurter Hauptbahnhof verkommt vor aller Augen
Die B-Ebene des Frankfurter Hauptbahnhofs wird von Dealern dominiert. Polizei und Sicherheitspersonal schauen zu. Reisende fühlen sich zunehmend bedroht.
Der Frankfurter Hauptbahnhof verkommt zunehmend zum Drogenumschlagplatz. Schon vor Monaten hat sich dort eine Szene etabliert, die vor allem in der B-Ebene, das heißt in der Geschäftspassage zwischen Fernverkehr- und S-Bahn-Gleisen, rund um die Uhr Rauschgift verkauft – vor den Augen des Sicherheitspersonals der Deutschen Bahn.

Der Konzern verweist darauf, dass es schon zusätzliche Streifen durch die Stadtpolizei des Ordnungsamtes gebe. Die jedoch sagen selbst, sie seien für das Problem eigentlich gar nicht zuständig. Das seien die Landes- und die Bundespolizei, aus denen wiederum zu hören ist, der Drogenhandel habe so stark zugenommen, dass der Aufwand der Kontrollen bald nicht mehr lohne.

Als Grund geben sie an, dass die Rauschgiftdelikte in den meisten Fällen keine juristischen Konsequenzen hätten. Weder würden in dem Umfang, in dem es nach Auffassung der Polizei nötig sei, Anklagen gegen Mehrfach-Dealer erhoben, noch komme es zu nennenswerten Verurteilungen.

Ähnlich hatten die Behörden auch schon im Zusammenhang mit dem Drogenhandel im Umfeld des Hauptbahnhofs argumentiert. In der B-Ebene spitzt sich die Situation allerdings zu, weil sich inzwischen auch Reisende immer öfter durch die Dealer bedroht fühlen. Dieser Teil des Hauptbahnhofs gilt für viele inzwischen als rechtsfreier Raum.

Die Straftäter sind den Sicherheitsbehörden fast alle bekannt
Die Bundespolizei am Hauptbahnhof bestätigte auf Anfrage, dass sich die Situation in den vergangenen Wochen drastisch verschärft habe. Das hängt nach Angaben eines Sprechers auch mit der Klientel zusammen, die sich dort etabliert habe. Die Straftäter sind den Sicherheitsbehörden fast alle bekannt. Zum Großteil handelt es sich um junge Männer aus Nordafrika, die mit dem Flüchtlingsstrom nach Deutschland gekommen seien, heißt es. Sie gelten als „renitent“, da sie sich auch durch Razzien nicht beeindrucken ließen. Sicherheitsmitarbeiter der Bahn, die die B-Ebene täglich durchstreifen, berichten, die Szene agiere hochprofessionell.

Das ist auch zu beobachten. So gibt es Späher, die die Zugänge zur B-Ebene sichern. Sobald die Polizei zu sehen ist, warnen sich die Mitglieder der Gruppe gegenseitig, und die gesamte B-Ebene ist plötzlich leer. In der Landespolizei wird gesagt, die Dealer-Szene in der B-Ebene sei noch schwerer zu greifen als jene, die man auf den Straßen antreffe. Zum einen träten die Verkäufer dort aggressiver auf. Zum anderen seien die Dealer stärker auf der Hut, denn der Handel scheine lukrativer zu sein, da alle Arten von Drogen verkauft würden – Heroin, Crack und Haschisch. Auf Bestellung auch Tabletten aller Art.

Die Dealer haben einen festen Kundenstamm

Offenbar gibt es inzwischen ein festes Geflecht zwischen Dealern und Abnehmern, was es zusätzlich erschwert, die Szene zu zerschlagen. Die Dealer haben einen festen Kundenstamm. Dementsprechend schnell laufen die Geschäfte ab. Alle paar Minuten werden Kunden in der B-Ebene bedient. Der Verkauf findet entweder hinter einer der Säulen statt, oder Dealer und Kunden schlendern nebeneinander durch die Passage und tauschen Drogen gegen Geld.

Als Folge dieser ständigen Verfügbarkeit hat auch die Zahl der Heroin- und Cracksüchtigen im Hauptbahnhof stark zugenommen. Das bestätigt die Bundespolizei ebenfalls. Zum Konsum ziehen sich vor allem Junkies in die Abgänge zurück, die zum S-Bahnhof führen. Regelmäßig sind dort Leute anzutreffen, die sich ihre Spritzen setzen.

Der Deutschen Bahn ist das Thema seit langem bekannt. Es bleibe „leider schwierig, eine kurzfristige grundsätzliche Lösung ist nicht in Sicht“, sagt auf Anfrage ein Bahn-Sprecher. Die Situation sei auch für die Bahn „nicht zufriedenstellend“, allerdings habe man „nur begrenzt Einfluss auf die Entwicklungen im sozialen Umfeld des Hauptbahnhofs“.

Die Drogenszene im Hauptbahnhof wird sich weiter verfestigen
Dieses Umfeld hat sich seit dem Sommer sehr zum Schlechten verändert. Nicht nur in der B-Ebene hat sich eine neue Dealer-Szene etabliert, sondern, wie berichtet, auch drum herum. Die Polizei geht derzeit Hinweisen nach, wonach die Szene an der Niddastraße stark mit jener in der B-Ebene verwoben ist. Sicherheitsdezernent Markus Frank (CDU) sagt, er halte es auch nicht für zumutbar, wenn Reisende, die am Hauptbahnhof ankämen, das Gefühl hätten, sie müssten sich erst durch die gesamte Drogenszene der Stadt kämpfen.

Drogenpolitik Frankfurt: Drogenkonsum in Taunusanlage nimmt wieder zu
Die Problematik sei aber „nicht von heute auf morgen zu lösen. Da braucht man einen langen Atem.“ Er setze weiterhin darauf, dass mit dem Umbau der B-Ebene, die im nächsten Jahr beginnen soll, auch die Drogenproblematik gelöst werden könne. Frank kritisierte abermals, dass die Festnahmen der Polizei wenig Wirkung zeigten, wenn keine juristischen Konsequenzen folgten. Man sei „weiterhin in Gesprächen mit allen zuständigen Stellen“.

Vorerst wird sich die Drogenszene im Hauptbahnhof weiter verfestigen. Die Bahn verweist darauf, dass sie inzwischen eine feste Streife rund um die Uhr durch die B-Ebene patrouillieren lasse. Die Dealer stört das allerdings nicht. Sie verkaufen einfach weiter.


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