Erfülltes Musikerleben
Wie es um die Musiziergesinnung in größeren Ensembles bestellt ist, hatte er als Substitut unter anderem im Verband des London Symphony Orchestra erfahren. Wie ein Dirigent einem Kollektiv bemerkenswerte Leistungen herauslocken kann, lernte er im Umgang mit den bedeutendsten Maestri des 20. Jahrhunderts. Neville Marriner musizierte mit Wilhelm Furtwängler und Arturo Toscanini, mit Leopold Stokowski und George Szell. Er lernte also höchst unterschiedliche Zugänge zur pädagogischen wie zur psychologischen Arbeit mit den Musikerkollegen kennen und bewundern.
Niemand Geringerer als Pierre Monteux, Dirigent der berüchtigten Skandal-Uraufführung von Igor Strawinskys „Sacre du printemps“, gab dem jungen Geiger Kapellmeister-Unterricht. Dass er sich stets ein Faible für ein breit angelegtes Repertoire bewahrt hat, das auch komplizierte Partituren der Moderne einschloss, geht wohl auf diese Lehrzeit zurück. Doch steht der Name Marriner in den Köpfen der internationalen Musikfreunde zu allererst für gediegene Interpretationen von barocker und klassischer Musik.
Für Dienstag war Auftritt in Wien geplant
Als Leiter seiner Academy wurde Marriner zu einem der meistbeschäftigten Maestri des Langspielplatten-Zeitalters – seine Aufnahmen fanden sich dann auch in der CD-Ära in allen Haushalten; und die Welt pilgerte wohlvorbereitet zu seinen Konzertauftrittener – ob mit der Academy oder bald auch mit Symphonieorchestern größeren Zuschnitts. Jubel gab es zuletzt nach seinem Auftritt bei den Salzburger Festspielen; die Gesellschaft der Musikfreunde in Wien muss nun nach einem Ersatzdirigenten suchen: Marriners nächster Auftritt mit der Academy sollte am kommenden Dienstag im großen Musikvereinssaal erfolgen. Der Künstler, bis zuletzt bei bester Gesundheit, ist in der Nacht auf Sonntag im 93. Lebensjahr friedlich entschlafen.
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