Auf der einen Seite stehen die Linksrebellen der Farc, auf der anderen Seite Ex-Präsident Álvaro Uribe und seine Rechtsaußen-Partei "Centro Democrático", zweitstärkste politische Kraft des Landes. Für ihn sind die Farc keine Rebellen, die mal für ein besseres Kolumbien kämpften, sondern Terroristen und Drogenhändler, die man am besten mit Blei und harter Hand niederringt. Zwischen ihnen muss nun Präsident Juan Manuel Santos vermitteln. Doch er droht zu scheitern - und mit ihm der Friedensprozess.
Die Bevölkerung lehnte das Abkommen mit den Farc-Rebellen mit einer hauchdünnen Mehrheit ab und folgte damit dem Motto, das Uribe vorgegeben hatte: "Wir wollen Frieden, aber nicht so." Es habe sich der Sektor der kolumbianischen Gesellschaft durchgesetzt, "der Angst davor hat, die Linksrebellen als politische Kraft zu sehen und der ihnen die Straferleichterungen missgönnt", schreibt der Politologe Prudencio García in der spanischen Tageszeitung "El País".
So war die Ablehnung des Friedensabkommens mit den Rebellen zum einen eine Entscheidung aus Wut und Rachsucht. Denn für die Mehrheit der Kolumbianer ist es schlicht unvorstellbar, dass die Guerilleros den kürzesten Weg aus den Schützengräben in die Parlamente nehmen und dabei nicht einen einzigen Tag den Umweg über ein Gefängnis gehen. 88 Prozent der Bevölkerung will die Rebellen hinter Gittern sehen.
Seit Sonntag weiß man, dass dieser Wunsch der Kolumbianer nach Rache noch größer ist als ihre Sehnsucht nach Frieden. Das ist nach mehr als einem halben Jahrhundert Krieg eine erschütternde Bestandsaufnahme, sagt aber alles über den Zustand des Landes und der Gesellschaft aus. Der Krieg hat das Land nicht nur wirtschaftlich ausgeblutet, sondern auch bis in die Grundfesten gespalten.
Ein Sieg der Emotionen über Argumente
Es wird mehr als eine Generation brauchen, bis die Mehrheit Kolumbianer bereit sind zu vergeben, zu verstehen und sich zu versöhnen. Entführung, Ermordung, Vertreibung - zu schwer waren die Verbrechen, welche die Rebellen im Namen eines angeblichen gerechten Kampfes für eine bessere Gesellschaft begangen haben.
Das Paradoxe beim Ausgang des Referendums aber ist: Es stimmten vor allem die urbanen Zentren mit Nein - also die Regionen, die besonders weit weg vom bewaffneten Konflikt waren. Viele der Gegenden und Dörfer, die zum Teil täglich unter Farc-Attacken gelitten hatten, votierten mit überwältigender Mehrheit für eine Alternative zum Krieg. Das heißt: Es war gar nicht unbedingt immer der persönliche Leidensdruck, der den Ausschlag gab, sondern auch die kollektive Ablehnung eines alternativen Projekts und der Hass auf die Rebellen.
So war die Ablehnung des Friedensabkommens dann auch vor allem ein Sieg der Emotionen über die Argumente. Während die Regierung mit Statistiken, Wachstumschancen und Investitionen argumentierte, spielte das "No"-Lager in Gestalt von Uribe gekonnt mit Angst und Wut der Bevölkerung: Ein Ja zum Friedensabkommen werde die Grundwerte des Landes erschüttern, dem Linkspopulismus Tür und Tor öffnen und Kolumbien in ein zweites Venezuela verwandeln, war die Botschaft. Riesige Plakate mit einem Bild von FARC-Führer Rodrigo Londoño alias Timoschenko mit Präsidentenschärpe klebten in vielen Städten des Landes wie eine Warnung.
Quelle : spiegel.de
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