Während Uniper vor knapp einem Monat den Sprung aufs Parkett gerade so schaffte, räumte Innogy am Freitag groß ab. Der Börsengang spülte RWE nicht nur auf einen Schlag fünf Milliarden Euro in die klammen Kassen, er räumte auch richtig im Konzern auf. Ein Lichtblick für den Konzern, der in den vergangenen Jahren immer weniger wert war, als sein Rivale. Für Konkurrent Eon sieht es derweil düster aus. Denn aus dem Plan, die Atom-Altlasten über die Börse loszuwerden, wurde nichts.
Die Bundesregierung roch Lunte. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel befürchtete, Eon wolle sich mit der Abspaltung den langfristigen Folgekosten der Kernkraft verabschieden. Fast wäre das wohl auch geglückt. Hätte Eon-Chef Theyssen die Atommeiler vor der Stilllegung über Uniper losgeschlagen, wäre er vom Haken gewesen. Um das zu verhindern, brachte Berlin im Eilverfahren eine Gesetzesänderung auf den Weg. Geplant ist nun, die Fünf-Jahresfrist bei der Haftung für Schulden von Eon aufzuheben. Der Konzern lenkte daraufhin ein und ließ die Atom-Sparte bei Eon. Insofern ist die Abspaltung von Uniper zwar geglückt, aber nicht die von den Altlasten.
Deshalb hat RWE die Nase vorn
Einen sauberen Neuanfang gibt es damit nur bei RWE und Innogy. Dank der unbelasteten Zukunftsgeschäfte locken hohe Dividenden. Das ist attraktiv für Anleger und gut für die Mutter RWE, die langfristig einen Anteil an ihrer neuen Tochter behalten will - und damit immer mitverdient. Der Mutterkonzern hat sich damit finanzielle Spielräume verschafft, die er nun für den Atomausstieg oder für Investitionen in Ökoenergien nutzen kann.
Ganz anders sieht es bei Eon aus: Der Konzern plant eine schnelle Trennung von Uniper. Derzeit hält er noch 53 Prozent. Die verbliebenen 47 Prozent sollen aber von 2018 an verkauft werden. Der klare Schnitt hätte zwar was für sich. Eon könne frei agieren, betonte Theyssen. Doch jetzt bleibt ein großer Makel: Von der Tochter Uniper wird Eon in Zukunft nicht mehr profitieren. Und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Fonds, die immer beliebter werden, könnten auch noch Eon-Aktien wegen des Atomanteils meiden. "Ein schwerer Geburtsfehler", sagt Aktionärsschützer Thomas Hechtfischer vom DSW.
Theyssen dagegen hatte die Atom-Altlasten vor dem Uniper-Börsengang noch als Aktivposten angepriesen. Er versprach, dass die schmutzigen Energieträger auch in Zukunft gebraucht würden. Uniper werde das "Rückgrat der Energiewende" sein. Ökostrom alleine könne den Bedarf nicht decken. Kohle, Gas und Kernkraft würden gebraucht, um die Lücke zu schließen. Deshalb würde Uniper auch künftig kräftig mitverdienen.
Aber seine Vision vom Wiederaufstieg der klassischen Energieträger dürfte sich als Trugschluss erweisen. Und damit wird sich auch RWE rumschlagen müssen. Richtig ist, dass in den kommenden Jahren viele Kraftwerke vom Netz gehen. Allein bis Ende des Jahrzehnts schalten drei Atommeiler ab, drei weitere folgen in den zwei Jahren danach. Auch gut 40 Kohleblöcke sind zur Stilllegung angemeldet. Der Prozess des Atomausstiegs werde sich "noch einige Jahrzehnte hinziehen", sagt Fidel Helmer vom Bankhaus Hauck und Aufhäuser. Solange könne Uniper noch gute Geschäfte machen. Doch Kohle, Gas und Atomkraft sind ein Auslaufmodell.
Bis 2050 will Deutschland 80 Prozent des Stroms aus Öko-Energien erzeugen. Vor der Energiewende produzierten RWE, Eon, EnBW und Vattenfall fast den gesamten Strom, den die Deutschen benötigten. Zusammen kamen die Energieriesen auf einen Marktanteil von rund 80 Prozent. Diese Zeiten sind lange vorbei. Schon heute geht es offensichtlich auch ohne sie. Immer mehr Unternehmen koppeln sich vom öffentlichen Netz ab und erzeugen ihren Strom allein. Und produzieren auch noch mehr Energie, als sie benötigen. Niemand wartet auf Eon oder RWE.
Unkalkulierbare Kosten
Und noch ein Problem bleibt: Egal wie erfolgreich die Töchter von Eon und RWE auch sein werden, die Kosten der Energiewende werden sie nicht mindern. 13,6 Milliarden Euro hat Eon-Chef Theyssen für die Stilllegung seiner acht Atommeiler zurückgestellt. RWE hat dafür 10,3 Milliarden auf der hohen Kante. Ob das ausreichen wird, bezweifeln Politik und Wirtschaft gleichermaßen.
Mit einem "Stresstest" lässt Wirtschaftsminister Gabriel derzeit prüfen, ob die Atombetreiber genug Geld für die Abriss der Meiler zurückgelegt haben. Außerdem will die Regierung eine Kommission gründen, die bis Ende November Empfehlungen dazu erarbeiten soll, wie die Finanzmittel für den Atomausstieg langfristig gesichert werden können. Ergebnisse sollen bald vorliegen. Am Ende wird wohl der Steuerzahler für die Abwicklung aufkommen. Die Konzerne werden sich weiter um sich selbst kümmern. Sie haben sich klein gemacht. Auch das hat Symbolcharakter.
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