Die Bilanz der Deutschen Bank ist ein Mysterium

  09 Oktober 2016    Gelesen: 504
Die Bilanz der Deutschen Bank ist ein Mysterium
Investoren misstrauen der Bilanz der Deutschen Bank, was sich am niedrigen Börsenwert ablesen lässt. Selbst Aufseher blicken nicht mehr durch.
Der Aktienkurs der Deutschen Bank hat sich in dieser Woche deutlich erholt. Ist nun der richtige Zeitpunkt für den Einstieg gekommen? Der Fondsmanager eines angelsächsischen Vermögensverwalters winkt ab: „Sie dürfen niemals ihre Bilanz in die Hände der Investmentbanker geben.“ Damit bringt er zum Ausdruck, was auch andere Investoren denken. Sie misstrauen der Bilanz, was sich am niedrigen Börsenwert ablesen lässt.

Der Jahresabschluss der Deutschen Bank umfasst 445 Seiten und bietet überwiegend schwerverdauliche Kost. Da ist die Bank nicht allein, auch die Bilanzen anderer Konzerne sind keine unterhaltsame Lektüre. Doch das Problem ist die Darstellung der Geschäftsrisiken. Der Fondsmanager hält die Bilanz für wenig transparent. Ein wesentlicher Grund dafür ist die hohe Bedeutung des Kapitalmarktgeschäfts für die Bank. Aus dem Investmentbanking resultieren viele Altlasten und Milliardenstrafen.

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Die Investmentbanker haben in den vergangenen Jahren die Deutsche Bank dominiert. Auch bei anderen Banken gab es immer wieder den Verdacht, dass Bewertungsspielräume bei sehr komplexen Wertpapieren oder Derivaten genutzt wurden, um das Ergebnis und die Erfolgsprämien der Investmentbanker höher ausfallen zu lassen. Die hohen Abschreibungen der Deutschen Bank auf Firmenwerte im vergangenen Jahr von 5,8 Milliarden Euro nähren solche Zweifel.

Die Investoren zweifeln seit längerem an der Kapitalausstattung
Dass selbst die Bankenaufseher die Bilanzen der Banken nur schwer durchblicken, zeigt das aktuelle Ringen zwischen Amerika und Europa über die künftigen Kapitalregeln für Banken (Basel III). Denn die Frage, ob das Institut ausreichend Eigenkapital hat, um vor Verlusten geschützt zu sein, lässt sich noch immer nicht befriedigend beantworten. Für die Kennziffern, mit denen die Kapitalausstattung beurteilt wird, gibt es viele Stellschrauben. An denen dreht die Deutsche Bank, und das nicht zu knapp. Derzeit streiten sich die Bankenaufseher über den künftigen Spielraum, den Banken bei der Berechnung ihrer Bilanzrisiken und der dafür erforderlichen Kapitalausstattung haben. Die Unterschiede sind immens: Ein identisches Portfolio an Kreditrisiken kann unter Banken, die interne Risikomodelle verwenden, zu Milliardenabweichungen in der Kapitalausstattung führen.

Die amerikanischen Aufseher wollen die Spielräume verringern. Die Europäer wollen sie weitgehend erhalten. Der Blick in die Bilanz der Deutschen Bank verdeutlicht das Ausmaß dieser Spielräume. Sie hat eine Bilanzsumme von 1,8 Billionen Euro. Davon weist sie aber nur rund 400 Milliarden Euro an Wertpapieren und Krediten ein sogenanntes Risikogewicht zu, aus dem sich dann der jeweils nötige Kapitalpuffer ableitet. Mit anderen Worten: Fast 78 Prozent ihrer Bilanz betrachtet sie als risikolos. Sollte nun der Spielraum deutlich verringert werden, müssen mehr Geschäfte aus der Bilanz mit Eigenkapital unterlegt werden. Dann steht die Bank auch unabhängig vom Ausgang der noch offenen Rechtsstreitigkeiten vor einem enormen Kapitalproblem.

Um die Anforderungen der Bankenaufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) bis Ende 2019 erfüllen zu können, muss sie schon jetzt ihr Eigenkapital um 7 Milliarden Euro erhöhen. Jede zusätzliche Verschärfung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben kann sehr schnell ein Loch in die ohnehin schon dünne Kapitaldecke reißen. Die Investoren zweifeln seit längerem an der Kapitalausstattung. Das zeigt auch der Absturz des Aktienkurses. Derzeit wird die Bank an der Börse mit weniger als 17 Milliarden Euro bewertet. Das gesamte Eigenkapital einschließlich Nachranganleihen umfasst gut 60 Milliarden Euro. Die Deutsche Bank ist nur ein Viertel ihres in der Bilanz ausgewiesenen Eigenkapitals wert.

Ob das Verhältnis des Eigenkapitals zur gesamten Bilanzsumme eine bessere Kennziffer ist als die Kapitalquote auf Basis der selbstberechneten Bilanzrisiken, darüber lässt sich streiten. Amerikanische Wettbewerber schneiden bei der Verschuldungsquote (Leverage Ratio), dem Verhältnis von Eigenkapital zur Bilanzsumme, auch deshalb besser ab, weil ihnen staatliche Förderbanken die Wohnimmobilienkredite abkaufen. Dadurch sinkt ihre Bilanzsumme, während die Baukredite die Bilanzen europäischer Banken aufblähen. Doch auch die französischen Großbanken BNP Paribas oder Société Générale schneiden in der Verschuldungsquote besser ab als die Deutsche Bank. Die Großbanken außerhalb der Vereinigten Staaten haben nach einer Tabelle der amerikanischen Einlagensicherung FDIC eine Leverage Ratio von durchschnittlich 5,45 Prozent. Die Deutsche Bank liegt mit 2,68 Prozent abgeschlagen auf dem letzten Platz.

Wie hoch das tatsächliche Risiko ist, lässt sich kaum erfassen
Zu dem Misstrauen am Markt tragen auch die Altlasten aus der Finanzkrise bei. Die Deutsche Bank hält noch immer viele Schrottpapiere, in der Regel Verbriefungen riskanter Kredite. Für diese Wertpapiere gibt es seit Jahren keine Märkte mehr, weil die Investoren diese Titel meiden. Diese Wertpapiere bewertet die Bank anhand eigener Methoden. Denn es gibt keine Marktkurse. Ende 2015 machten die kritischen Anlagen 32 Milliarden Euro aus. Das ist mehr als die Hälfte des Eigenkapitals. Nimmt man nur das harte Kernkapital, also Aktien und Gewinnrücklagen, steigt der Anteil der Schrottpapiere sogar auf 73 Prozent. Der Durchschnittswert für die größten zwölf Banken beträgt 38 Prozent.

Es gibt noch eine weitere Klasse solcher Wertpapiere, für die es immerhin einen Marktparameter gibt, aus dem sich der Bilanzwert ableiten lässt. Das Volumen dieser Papiere macht 709 Milliarden Euro aus. Wem in dieser Größenordnung noch immer nicht schwindlig ist, der sollte auch noch auf das Derivatebuch blicken. Es bewegt sich im mittleren zweistelligen Billionenbereich. Wie hoch das Volumen tatsächlich ist, das kann man sich fast schon aussuchen. In jedem Fall ist es sehr hoch: Auf gut 35 Billionen Euro beliefen sich die außerbörslichen Derivatekontrakte Ende 2015, die an die Aufsichtsbehörden gemeldet werden. Diese sind riskanter als die über öffentliche Börsen gehandelten Derivate. Diese machten Ende 2015 weitere 6,5 Billionen Euro aus. In einer aktuellen Präsentation für Anleiheinvestoren nennt die Bank ein Derivatevolumen von 46 Billionen Euro. Der Anstieg ist auf den gegenüber Jahresanfang schwächeren Dollarkurs zurückzuführen. Die meisten Derivatekontrakte werden in der amerikanischen Währung abgeschlossen.

Das Bruttovolumen des Derivatebuchs fällt so groß aus, weil es die gesamten abgesicherten Geschäfte erfasst. Wie hoch das tatsächliche Risiko ist, lässt sich kaum erfassen. Man ist auf die Angaben der Bank angewiesen. Sie beziffert das Nettovolumen auf 615 Milliarden Euro, davon sind durch Gegengeschäfte und andere Garantien 575 Milliarden Euro abgesichert. Damit verbliebe ein Restrisiko von 40 Milliarden Euro.


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