Von wegen Büroschlaf auf Staatskosten

  12 Oktober 2016    Gelesen: 560
Von wegen Büroschlaf auf Staatskosten
Beamter auf Lebenszeit - für immer mehr Jugendliche klingt das verlockend. Dabei gibt es auch im Staatsdienst etliche Hürden und Fallstricke. Warum es im öffentlichen Dienst oft eiserne Nerven braucht.
Beamte sitzen acht Stunden in ihrem stillen Kämmerlein und brüten über Aktenbergen? Sie sind tendenziell Nerds, neigen zu Bequemlichkeit und sprechen ungern mit anderen Menschen? Von wegen. Wer für den Staat arbeiten will, braucht häufig eiserne Nerven. Die Meldungen auf der Homepage des Zolls lesen sich jedenfalls wie ein Krimi. „Steinhart gepresstes Kokain“ im Wert von 2 Millionen Euro, heißt es da lapidar, sei gerade mal wieder gefunden worden. Der letzte große Coup gelang Zöllnern im Hamburger Hafen, Ende August dieses Jahres.

Drogen aus Brasilien, Elfenbein aus Südafrika, Waffen aus Somalia - Zöllner beschlagnahmen regelmäßig Schmugglerware und decken außerdem Schwarzarbeit in Deutschland auf. Manchmal greifen die flüchtigen Täter sie mit Messern oder Pumpguns an. Oder Schwarzarbeiter versuchen, Beweise verschwinden zu lassen. Wer sich mit Kriminellen anlegt, braucht ein detektivisches Gespür, muss hervorragend kommunizieren können - und besonders sicher sind viele Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst auch nicht. Genau das glauben allerdings Studierende, die von einer Karriere bei Vater Staat träumen.

Immer mehr junge Leute wollen Beamte werden - und verkennen die Nachteile.
Mit einer Beamtenlaufbahn verbinden die meisten Menschen ein vernünftiges Gehalt und einen gediegenen Bürojob, hohe Pensionen und eine unkündbare Stellung. Das waren zumindest die Gründe, die von Studierenden bei einer Umfrage des Beratungsunternehmens EY genannt wurden und die nach der Ansicht der Befragten den Wunsch, selbst am liebsten einmal verbeamtet zu werden, bei ihnen geweckt hatten. Jeder dritte Studierende, so lautete das verblüffende Ergebnis, kann sich den Staat als Arbeitgeber gut vorstellen. Dabei gehen viele Befragte leider von falschen Vorstellungen und überholten Berufsbildern aus. Die Zeiten, in denen man bei der Bahn oder der Post ein sicheres Auskommen hatte, ohne sich großartig anstrengen zu müssen, sind längst vorbei.

Außerdem bereitet ein Universitätsabschluss potentielle Bewerber nicht unbedingt richtig vor. Spezielle Fachhochschulen, an denen Kommissare, Diplom-Rechtspfleger, Finanz- oder Verwaltungswirte ausgebildet werden, sind in der Regel die bessere Wahl. Auch wenn Quereinsteiger in einigen Berufen gern gesehen werden.

Viele Befristungen und mehr Angestellte im öffentlichen Dienst
Ursula May ist Beamtin beim Landesamt für Steuern in Rheinland-Pfalz. Ihr Werdegang sei nicht sehr linear verlaufen, meint sie. Nach dem Studium zur Diplom-Finanzwirtin hat sie zunächst im Innendienst eines Finanzamtes gearbeitet, wechselte dann zur Oberfinanzdirektion in die IT-Abteilung und wurde dort intern zur Programmiererin ausgebildet, um steuerliche Fachprogramme anwendbar zu machen. „Parallel dazu habe ich ein Jura-Studium absolviert und bin letzten Endes im Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gelandet, wo ich unter anderem auch für die Organisation von Fortbildungen zuständig bin.“ Schon vor zwanzig Jahren wurde Ursula May „Beamtin auf Lebenszeit“. Direkt nach der Probezeit. Ein Traum, der sich heute für immer weniger Nachwuchskräfte erfüllt, denn inzwischen gibt es auch im öffentlichen Dienst viele Befristungen und mehr Angestellte, die nach Tarifverträgen vergütet werden, ohne den Vorteil zu genießen, verbeamtet zu werden und damit nicht in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen zu müssen.

Auch im Hinblick auf die ruhige Kugel, die man als Beamter im Innendienst angeblich schieben kann, sollte sich niemand Illusionen machen. Natürlich sei das Beschäftigungsverhältnis von Beamten „generell ein gutes“, sagt Klaus Weber, Bundesbeamtensekretär bei Verdi, dennoch gäbe es auch hier Verbesserungsbedarf - vor allem im Hinblick auf Kommunikationsstrukturen und den zwischenmenschlichen Bereich. Weber und seine Kollegen beraten vor allem Beamtinnen und Beamte, die sich bei Beförderungen übergangen fühlen. „Sie werden von ihrem Dienstherren regelmäßig beurteilt, und es kommt immer wieder vor, dass diese Bewertungen das Einfallstor für eine unfaire Nasenpolitik sind.“

Wenn ein Dienstherr einen Beamten loswerden wolle, der fachlich kompetent sei, seien Bewertungen seines Verhaltens oder seiner Persönlichkeit ein beliebtes Instrument, um ihm den Aufstieg zu verwehren und ihn auszubremsen, sagt Weber. Geschiedene Männer hätten dann schnell mal „persönliche Probleme“, alleinstehenden Frauen würde man vorhalten, nicht teamfähig genug zu agieren, und so weiter. Natürlich finden auch Chefs in der freien Wirtschaft solche fadenscheinigen Argumente, wenn sie Mitarbeiter nicht nach oben kommen lassen wollen, aber das besondere Treueverhältnis schreibt Beamten in weit größerem Maß vor, wie sie sich zu verhalten haben. Die Loyalität zum Dienstherrn ist wichtiger, Verschwiegenheit und eine solide Lebensführung darf der Staat als Arbeitgeber eher voraussetzen und bei Fehlverhalten schneller sanktionieren als das im Rahmen der Compliance bei privaten Unternehmen üblich ist.

Immer wieder psychologische Tests über sich ergehen lassen
Michael Eckel kümmert sich bei der Stadt München um die Personalplanung. In den kommenden fünf Jahren, sagt er, werde es nach seinen Berechnungen an Nachwuchs fehlen, viele ältere Beamte scheiden dann aus dem Dienst aus. Die Stadt München akquiriert in Bereichen, in denen es nicht erforderlich ist, deutscher Staatsbürger zu sein, etwa für Träger im sozialen Bereich, derzeit sogar im europäischen Ausland. Bei Kommunen und Städten findet man Stellenangebote auf der Internetseite. „Auch Personalmessen an den Verwaltungshochschulen sind ideale Adressen für Kandidaten“, sagt Eckel.

Neben dem Willen, die demokratische Grundordnung unserer Gesellschaft zu respektieren und die Gesetze zu verteidigen, den man Deutschen eher zutraut, gehören auch Untersuchungen beim Amtsarzt zum Pflichtprogramm für Beamte. Wer Staatsdiener werden will, sollte sich darum gut überlegen, ob er für seinen Beruf immer wieder psychologische Tests über sich ergehen lassen möchte, mit deren Hilfe fachfremde Experten die eigene „gesundheitliche und charakterliche Eignung“ nachweisen dürfen. Je nach Dienstherr ist auch Vorsicht geboten bei gefährlichen Hobbys. Wer schon im Lebenslauf angibt, dass er gern zum Bungee-Springen geht oder Extremklettern betreibt, fällt manchmal aus dem Raster: Personalabteilungen fürchten dann das Verletzungsrisiko und einen Ausfall des Mitarbeiters. Besser sind sanfte Sportarten, die zeigen, dass Bewerber in der Lage sind, sich einen Ausgleich zu suchen und auf ihre Gesundheit zu achten.

Nur selten allein im Büro

Lesja Dukic konnte ihren Arbeitgeber von ihren Qualitäten überzeugen. Die 31 Jahre alte gebürtige Freiburgerin absolvierte nach der mittleren Reife eine dreijährige Ausbildung als Verwaltungsfachangestellte beim Bundesgrenzschutz in Weil am Rhein. Schon während dieser Zeit verdiente sie Geld, genau wie die Studierenden an den Fachhochschulen. Im Gegensatz zu einem langwierigen und teuren Hochschulstudium bietet der öffentliche Dienst also bessere Perspektiven für ambitionierte junge Leute, die keine finanzielle Unterstützung vom Elternhaus bekommen und sich nicht für das jahrelange Beziehen von Bafög verschulden möchten.

Mittlerweile hat Lesja Dukic eine zweite Ausbildung beim Zoll absolviert und arbeitet als Zöllnerin am Frankfurter Flughafen. Jeder Tag, sagt sie, sei anders, die Abwechslung gefalle ihr. Mit den Schichtdiensten kommt sie gut zurecht, auf ihre Kollegen sei Verlass - und gerade rückt Lesja Dukic sogar vom mittleren Dienst in den gehobenen auf, der normalerweise Abiturienten vorbehalten ist. Beim Zoll gibt es die Möglichkeit eines „Praxisaufstiegs“. Wer sich weiterbildet, Verbesserungsvorschläge einbringt und sich im Team bewährt, kann auch ohne Abitur weiterkommen. Im Internet informieren fast alle Verwaltungen und auch der Zoll über Ausbildungen, freie Stellen und Chancen. Ein gutes Gespür für potentielle Verstecke von Schmugglern, sagt Lesja Dukic, sei natürlich für ihre Arbeit sehr hilfreich. Und bei Einsätzen müssten Kollegen gut harmonieren und sich jederzeit aufeinander verlassen können. Allein im Büro sitzt sie heute nur noch selten.


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